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Die Verschollenen

Die Verschollenen

Titel: Die Verschollenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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sie? Etwas wie sie hatte sie noch nie gesehen. Die Brutalität, die in ihrem Angriff lag, und, schlimmer noch, die Freude, die sie dabei zu empfinden schienen. Roberta wurde schlecht, wenn sie nur daran dachte. Das Adrenalin, das durch ihren Körper strömte, machte es nicht besser. Sie sank auf die Knie und übergab sich in eine Pfütze. Ihr Magen hob sich zwar, aber da war nicht viel, was rauskommen konnte. In letzter Zeit hatte sie sich nur von kleinen Portionen Fisch, Reis und Obst ernährt, abgesehen von einem einsamen Stück Pizza, das sie vor einigen Tagen bei einer Challenge gewonnen hatte. Ihrem Magen schien das allerdings egal zu sein. Sie würgte und spuckte, bis ihre Bauchmuskeln schmerzten. Roberta wartete darauf, dass das Schwindelgefühl abklang. Dann griff sie nach einem Ast, zog sich wieder auf die Beine und floh weiter durch die Dunkelheit. Obwohl ihre Allergie nachgelassen
hatte, spürte Roberta jedes einzelne ihrer vierundfünfzig Lebensjahre.
    Nass, durchgefroren, erschöpft und blutend stieß sie schließlich zufällig auf den Pfad. Erschrocken sah sie sich um und versuchte, sich zu orientieren. Der Boden war eine rutschige, klebrige Masse. Ihre Füße versanken im Matsch. Roberta brauchte einen Moment, um zu erkennen, wo sie war. Der dichte Regen und ihre Angst verhinderten, dass sie irgendwas erkannte. Ihr Gesichtsfeld verschwamm an den Rändern, und Wegweiser, die ihr früher gut vertraut gewesen waren, schienen nicht mehr zu existieren oder entstellt und vertauscht zu sein. Die verworrenen, hängenden Schlingpflanzen wurden nun zu sich windenden Tentakeln und Schlangen. Die hoch aufragenden, wogenden Bäume verwandelten sich in gigantische Finger, die aus der Erde ragten. Der heulende Wind ähnelte einer Feuerwehrsirene. Roberta schnappte nach Luft und schloss für einen kurzen Moment die Augen, um sich bewusst zu machen, dass sie sich das alles nur einbildete.
    Aber die Hand, die plötzlich auf ihrer Schulter landete und zudrückte, war real. Sehr real. Finger bohrten sich in ihr Fleisch.
    Schreiend schlug Roberta um sich und traf dabei etwas Hartes. Dann hörte sie hinter sich ein Grunzen, woraufhin sich der Griff an ihrer Schulter lockerte und dann ganz löste. Ihr Angreifer stöhnte
gequält. Ohne sich umzusehen, rannte sie schreiend los.
    »Roberta!«
    Sie ignorierte die Stimme. Sie klang zwar vertraut, aber sie wusste, dass sie sich das auch nur wieder einbildete - der Sturm ließ sie seltsame Dinge hören.
    »Roberta, komm zurück.«
    »Hilfe«, kreischte sie. »Bitte, ich brauche Hilfe!«
    »Ich bin’s, Roberta. Matthew!«
    Sie zögerte und wäre beinahe gestürzt. Langsam drehte sie sich um. Mitten auf dem Pfad stand eine verschwommene Gestalt. Sie konnte kein Gesicht erkennen, aber sie war definitiv größer und schlanker als diese Kreaturen. Sie witterte in der Luft, konnte aber nichts von dem sauren, muffigen Gestank riechen, der die Monster umgab. Die Gestalt trug etwas Wuchtiges auf der Schulter. In der freien Hand hatte sie einen Speer oder Wanderstab.
    »Was ist los, Roberta? Geht es dir gut?«
    »M-Matthew?«
    »Ja, ich bin’s. Was ist hier los?«
    Sie musste sich anstrengen, um ihn durch das Heulen des Windes zu verstehen. Ein Blitz erhellte den Dschungel und bestätigte, wen sie vor sich hatte. Sein Gesichtsausdruck war ruhig, aber besorgt. Den Bambusspeer in seiner Hand erkannte sie, nicht aber den wuchtigen Gegenstand auf seiner Schulter. Als der Blitz erlosch, wurden sie beide in Dunkelheit getaucht.

    »Matthew! Oh, Gott …«
    Sie taumelte auf ihn zu. Er bückte sich und legte den Speer und das wuchtige Ding auf den Boden. Dann breitete er die Arme aus. Sie sank hinein und legte den Kopf an seine Brust. Seine Kleidung war durchnässt, und er roch nach Schweiß und Moder, aber das war Roberta egal. In diesem Moment genoss sie den Geruch, da er ihr bestätigte, dass sie noch lebte und - zumindest für den Moment - in Sicherheit war. Sein Körper strahlte Wärme ab.
    »Es ist schrecklich«, schluchzte sie, ohne den Kopf zu heben. »Sie sind alle tot. Shonette … Ryan … diese Dinger haben sie erwischt. Und Richards H-H-Hand … der Rest von ihm war verschwunden.«
    Matthews Körper verkrampfte sich kurz, doch dann merkte sie, wie er sich wieder entspannte. Er strich über ihre nassen Haare. Seine Hände waren klebrig, doch Roberta kümmerte sich nicht weiter darum.
    »Ist schon okay«, flüsterte er und versuchte, sie zu beruhigen. »Was auch immer geschehen ist, es

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