Die verschollenen Tagebücher des Adrian Mole
zurückkehren. Vor dem Haus der Ludlows hängt ein Transparent: »Willkommen zu Hause, unser Held«.
Brandon wurde vor dem Spiel England-Rumänien verhaftet. Dem Vernehmen nach saß er friedlich in einem Straßencafé und unterhielt sich beim Essen mit seinem Freund »Mad Dog« Jackson über Tolstoi, als ein brutaler belgischer Polizist in Kampfmontur ihn unbarmherzig mit einem Schlagstock attackierte.
Mad Dog Jackson entkam, aber Brandon wurde mit einem Kabelbinder gefesselt und in den Laderaum eines Polizeitransporters geworfen, wo er mit dem Gesicht nach unten nur Zentimeter von einer Urinlache entfernt liegen blieb. Als der Transporter voll war, wurde er zur Wache gefahren. Brandon wurde in eine Arrestzelle geschubst, wo er mit 40 weiteren Festgenommenen bis Tagesanbruch stehen musste. Brandon durfte nicht bei seiner Familie, den Ludlows, anrufen (was im Übrigen auch zwecklos gewesen wäre, da das Telefon der Ludlows wegen nicht bezahlter Rechnungen abgestellt worden ist).
Peggy Ludlow droht, den belgischen Premierminister zu verklagen, sobald sie herausgefunden hat, wer das ist. Beim Zubereiten der Partyverpflegung sagte sie zu mir: »Adrian, unser Brandon ist das Einzigste von meinen Kindern, was kein Hooligan ist. Unser Brandon ist schon immer ein seltsames Kind gewesen, weißt du, der hat nur so zum Spaß Bücher gelesen und über Sachen gesprochen, wo sich keiner von uns anderen dafür interessiert hat.«
Sie erzählte weiter, dass Brandon nur zu Recherchezwecken zu diesem Spiel gefahren sei. Er schreibe an einem Essay über David Beckham mit dem Titel »Gott oder Inselbegabung?« und hoffe, ihn im London Review Of Books unterzubringen.
16:00 Uhr
Der Lärm draußen – plärrende Autohupen, schrilles Pfeifen, bellende Dobermänner – sagt mir, dass Brandon angekommen ist. Wir sind alle zu der Party eingeladen. Glenn und William sind sehr aufgeregt, da sie die Krawalle in Charleroi gespannt auf dem Fernsehbildschirm verfolgt haben.
Genau genommen haben sie sogar mehr Interesse an den Straßenschlachten als an dem Spiel auf dem Fußballfeld gezeigt. Mrs Wormington unterhielt sich mit mir, während ich eins ihrer gewaltigen, weit schwingenden Sommerkleider bügelte. Ihrer Ansicht nach haben sich gewisse Kreise junger Engländer schon immer wie Barbaren benommen, wenn sie gruppenweise ins Ausland reisten. »Was denkst du denn, wie wir’s geschafft haben, all diese fremden Länder zu erobern? Die Schlappschwanztruppe war das jedenfalls nicht, die die Landkarte rosa gefärbt hat.«
Sie bestand darauf, einen Hut zur Party der Ludlows zu tragen, offenbar in der irrigen Annahme, wir gingen ins mittelalterliche Ludlow Castle statt ins Wohnzimmer einer Sozialwohnung. Ich führte ein sehr interessantes Gespräch mit Brandon, der wirklich ein sehr sensibler, intelligenter junger Mann ist. Er erinnerte mich an mich selbst in jüngeren Jahren, bevor mich der Alltag als alleinerziehender Vater und die nie enden wollende Hausarbeit (die nun auch noch die Pflege einer über Neunzigjährigen beinhaltet) in den Würgegriff nahmen. Bei Toastbrot-und-Schmelzkäse-Sandwichs unterhielten wir uns über seinen Leidensweg. Brandon sagte, seine Nacht in der Zelle wurde einzig dadurch erträglich, dass auch ein Anwalt unter den Verhafteten war, der zufällig ein Exemplar des Spectator von letzter Woche bei sich hatte. Ebendieser Anwalt versuchte, seine
Hooligan-Kollegen dazu zu bringen, den Namen Boris Johnsons zu skandieren, doch nur wenige fielen mit ein, und schließlich gab er auf und legte sich schlafen, allerdings erst, nachdem er Brandon eine ganz besonders schaurige sexuelle Fantasie gestanden hatte, in der es unter anderem um die Journalistin Petronella Wyatt und den konservativen Kolumnisten Bruce Anderson ging.
Nach einer hitzigen Debatte mit Vince Ludlow über Mrs Wormingtons Angewohnheit, jedes Mal, wenn die Ludlows den Geschlechtsakt vollziehen, mit einem orthopädischen Schuh an die Verbindungswand zu klopfen, brachte ich meine Familie nach Hause.
Sonntag, 25. Juni
Brandon kam wie versprochen vorbei, um mein Manuskript von Der Schweinestall zu lesen. Ich wage nicht, es aus den Händen zu geben. Viel Arbeit steckt in den ersten drei Kapiteln. Nach den ersten paar Seiten blickte Brandon auf und meinte, er halte es für einen Fehler, meinen Schweinehelden Luzifer zu nennen, da es im Leser falsche mephistophelische Erwartungen wecke. Auf eine solch beißende Kritik hätte ich gut verzichten können, aber ich
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