Die verschollenen Tagebücher des Adrian Mole
sagte Glenn: »Geh du ruhig beten, Dad. Will und ich treffen dich dann später.«
Der Junge wird von Tag zu Tag selbstbewusster. Das Kochen hat er zu Hause schon übernommen, und heute Morgen fand ich einen Zettel in einer Milchflasche vor unserer Tür: »Heute keine Milch. Sind im Millenium Dome. Beste Grüße, Glenn Bott-Mole.« Seit wann trägt Glenn einen Doppelnamen? Und warum steht »Mole« an zweiter Stelle? Glenn Mole-Bott klingt doch viel kultivierter.
Die Faith Zone war immer noch leer. Die Pfarrerin in dem pastellfarbenen Trainingsanzug war sichtlich dankbar, mich zu sehen und sich meine religiösen Ansichten anzuhören. Ich erzählte ihr, dass ich seit Neuestem Bäume anbete, und fragte, ob es eine Organisation gäbe, der ich beitreten könne. Sie sah im Index ihres Großen Buchs der Weltreligionen nach, fand aber nichts und meinte daraufhin: »Die Liberaldemokraten bieten sich da vielleicht am ehesten an.«
Sonntag, 29. Oktober
Die Szenen gestern Abend am Bahnhof St. Pancras waren erbärmlich. Verzweifelte Menschen aus den East Midlands liefen planlos durch die Bahnhofshalle, bis sie endlich in ihren Ersatzzügen auf Umwegen an den kaputten Gleisen der Midland-Main-Linie vorbeigeschleust wurden.
Montag, 30. Oktober
Wachte um 3:30 Uhr auf und stellte fest, dass sich ein Wirbelsturm durch unsere Straße wälzte. Mehrere Mülltonnen wurden umgeworfen, und ein blöder, verfluchter Baum hat meinen Schuppen zerstört.
Dienstag, 31. Oktober
Arthur Askey Way
Pandoras Wochenendhäuschen Lock Keeper’s Cottage am Ufer des Flusses Severn wurde überflutet. Sie musste von einem Feuerwehrmann in einem Kanu geborgen werden. Die Rettungsaktion wurde von Midlands Today gefilmt. Den Berichten zufolge waren sie und eine Neunzehnjährige namens »Scottish Sandy« von den Wassermassen einen Tag und eine Nacht lang in Pandoras Schlafzimmer eingeschlossen. Laut Pandora stapelte Sandy gerade Sandsäcke vor der Eingangstür, als die Flut sie überraschte und sie gezwungen waren, ins obere Stockwerk zu fliehen. Von Julia Snoddy, der Reporterin von Midlands Today , befragt, warum Pandora die Rettungskräfte nicht früher benachrichtigt habe,
entgegnete die kontroverse Abgeordnete: »Ich wusste doch, wie viel diese Leute zu tun hatten, und wollte ihnen nicht noch mehr Arbeit machen.«
Als man sie bat, zu erzählen, was sie durchgemacht habe, sagte sie: »Es war die Hölle. Mir gingen die Marlboro Lights aus, und meine Prada-Tasche hatte ich unten im Wohnzimmer auf dem Fußboden stehen lassen. Sie ist vom Hochwasser total ruiniert.« Dann erklärte sie Ms Snoddy noch, sie werde bei Mr Prescott – dem Hochwasser-Obermufti – darauf drängen, zusätzliche finanzielle Mittel für Schutzmaßnahmen gegen Hochwasser in der Region Severn-Trent bereitzustellen. »Es wird höchste Zeit, dass unsere Flüsse mit Beton ausgegossen werden«, sagte sie. »Es wäre zwar wahnsinnig schade, wenn das Schilf und das ganze Tierzeug und so verlorengingen, aber wir leben jetzt in einem neuen Zeitalter und können uns nicht leisten, sentimental gegenüber der Natur zu sein.«
Sie führte aus, dass diverse Einzelhandelsketten sich am Betonufer des Severn ansiedeln könnten: »Starbucks würde den Cappuccino in unsere vernachlässigten ländlichen Gebiete bringen«, erklärte sie.
Pandora hat die freie Natur schon immer gehasst; auf unseren Schulwanderungen trug sie regelmäßig eine dunkle Sonnenbrille und verkündete: »Das ganze Grün macht mich to-tal krank.« Ihr Lock Keeper’s Cottage war im New Yorker Stil möbliert. Die Jalousien waren stets geschlossen. Um genau zu sein, waren sie an den Fensterbrettern festgenagelt.
Ich hoffe ganz ehrlich, dass Pandora ihr Ziel nicht erreicht, der erste weibliche Labour-Premier zu werden. In vielen privaten Gesprächen vertraute sie mir an, dass sie liebend gern die Sumpflandschaften zugepflastert, Dartmoor mit
Kunstrasen überzogen und den Lake District mit Rolltreppen ausgestattet sähe, um Behinderten den Zugang zu erleichtern. Meine Mutter behauptet, Pandora habe das scherzhaft gemeint, aber ich bin davon überzeugt, dass ihre Geringschätzung der englischen Landschaft echt ist.
Mittwoch, 1. November
Mein Literaturagent Brick Eagleburger (dem es bisher nicht gelungen ist, auch nur einen meiner Romane, Fernsehserien, Hörspiele oder epischen Gedichte zu verkaufen) kontaktierte mich heute nach einer Pause von zwei Jahren. Irgendjemand in Wolverhampton – ein gewisser Jim Smith –
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