Die verschollenen Tagebücher des Adrian Mole
Ahnung von weiblicher Anatomie.
Samstag, 13. Januar
Meine Exfrau Jo-Jo hat mich per Fax gefragt, ob sie William mitnehmen darf, wenn sie zurück nach Nigeria fährt. Für einen – wie sie es nannte – »ausgedehnten Besuch«.
Ich faxte sofort zurück, c/o The Hempel Hotel in Craven Hill Gardens, London. (Sie schwimmt im Geld – ihr neuer Mann importiert elektrische »Viehtreiber« aus der Türkei. Man traut sich gar nicht, darüber nachzudenken, zu welchen Zwecken die Geräte wirklich eingesetzt werden. Ich habe den Verdacht, dass das Ganze nichts mit Vieh zu tun hat.)
Liebe Jo-Jo,
ich komme gleich zur Sache. Nein, du darfst William nicht mit zurück nach Nigeria nehmen. Er ist extrem glücklich hier im kleinen Städtchen Ashby-de-la-Zouch. Der Kulturschock könnte ihn umbringen. Sollte er, wenn er alt und verständig genug ist, seine »Wurzeln entdecken« wollen, dann werde ich ihn dabei unterstützen. Aber er hat mir gesagt, dass er weiterhin bei Mrs Claricoates in die Klasse gehen will, wo er sich vor allem im Ausmalen und in Informatik hervortut. Außerdem ist für Februar ein Schulausflug zum Fylingdales-Moor in Yorkshire geplant. Übrigens bin ich überrascht, was die Wahl deines neuen Gatten betrifft. William erzählte mir, dass der Mann noch nie von Pokémon gehört hat und nicht in der Lage war, die einzelnen Mitglieder der Spice Girls aufzuzählen. Klingt mir nach einem weltfremden Menschen.
Wie konnte eine kultivierte Frau wie du sich einen solchen Tölpel an den Hals laden? Ich kann nicht
umhin, mir Sorgen um die Dauerhaftigkeit eurer Ehe zu machen. Wie du noch in Erinnerung haben wirst (vielleicht sogar in guter): Als wir verheiratet waren, pflegten wir uns stundenlang im Bett über die Welt und das Zeitgeschehen zu unterhalten. Wie dem auch sei, Jo-Jo, ich fürchte, du musst ohne William zurück nach Nigeria fahren. Wie immer dein
Adrian
Samstag, 14. Januar
Heute Morgen erhielt ich folgendes Fax:
The Hempel, Craven Hill Gardens, London
An Adrian Mole, von Mrs Jo-Jo Mapfumo
Danke für dein Fax. Ich bin natürlich enttäuscht, dass du William nicht erlaubst, mit mir und meinem neuen Mann Colonel Ephat Mapfumo nach Nigeria zu fahren. Meine Familie in Lagos brennt darauf, ihn kennenzulernen. Er ist immerhin mein erster Sohn und wird demnach von ihnen allen hochgeschätzt.
Ich fand deine Bemerkungen über meinen Mann außerordentlich kränkend. Er ist alles andere als ein Tölpel. Er hat an der Sorbonne und an der Militärakademie in Sandhurst studiert. Er spielt Klavier, Geige und Oboe, sammelt zeitgenössische afrikanische Kunst und hat ein hochgelobtes Buch geschrieben: Der Putsch – Eine postkoloniale Alternative zur Demokratie . Was unsere eigene Ehe betrifft, habe ich unsere Gespräche in oder außerhalb unseres Bettes nicht in »guter« Erinnerung. Soweit ich mich entsinne, hast du dich lang und breit über drei Themen ausgelassen: 1. deine unveröffentlichten
Romane; 2. Dostojewski; 3. die norwegische Lederindustrie. Mir wurde bereits fünf Minuten nach der Trauung klar, dass unsere Ehe ein Fehler war, als du mir Exhibitionismus vorwarfst, weil ich meine traditionelle Stammestracht trug.
Mit freundlichen Grüßen,
Mrs Jo-Jo Mapfumo
PS: Wenn du William nicht erlaubst, nach Nigeria zu fahren, dann muss meine Familie ihn in Ashby-de-la-Zouch besuchen. Sobald ich wieder in Lagos bin, werde ich die nötigen Vorkehrungen treffen.
Ich gestehe, dass ich am Tag unserer Hochzeit befremdet war, als ich Jo-Jo auf dem Standesamt erblickte. Sie hatte mir gesagt, sie werde »traditionelle Kleidung« tragen, weshalb ich mit weißer Spitze und Schleier gerechnet hatte – nicht mit einer Orgie aus Mustern und Grundfarben. Einschließlich ihres typisch afrikanischen Turbans kam sie auf eins neunzig. Sie überragte mich deutlich. Wir sahen geradezu lächerlich aus, als wir uns vor der Standesbeamtin aufstellten.
Ganz deutlich hörte ich Pandora (die Trauzeugin) flüstern: »Klarer Fall von gemeinsamer psychotischer Störung.«
Montag, 15. Januar
Bei der letzten Zählung belief sich Jo-Jos engster Familienkreis auf 213 Personen. 213 Menschen kann ich unmöglich auch nur minimale Gastfreundschaft erweisen, wie es der nigerianische Brauch fordert. Vielleicht wäre es einfacher, wenn William zu ihnen führe. Während der Sommerferien zum Beispiel.
Dienstag, 16. Januar
Arthur Askey Way
Clive Box, unser Postbote, hämmerte heute Morgen um 6:15 Uhr an die Tür und schreckte mich
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