Die Verschwörer von Kalare
sehen, dich zu sehen, immer noch da zu sein. Herrin, bitte, lass mich doch einfach, lass mich zu ihm gehen, zu meinem Herrn. Ich habe ihn verlassen, Feiglingsmal, Feiglingsherz …«
So plapperte er unzusammenhängend weiter, und als sich sein Körper leicht in der Wanne aufbäumte und er versuchte, ihr die Hand zu entreißen, verschwand das Bild von Faede. So blieb Isana allein mit ihrem Haufen Steine.
Sie machte sich wieder an die Arbeit.
Später schlug sie blinzelnd die Augen auf und schaute sich einen Moment lang in der Kammer in Cereus’ Zitadelle um. Faede lag in der Wanne, seine Muskeln zuckten gelegentlich. Sie legte ihm die freie Hand auf die Stirn und bestätigte damit nur das, was sie schon wusste.
Faede hatte den Kampf aufgegeben. Er wollte nicht mehr gesund werden.
Das Fieber war gestiegen.
Er lag im Sterben.
Die Tür ging auf, und Giraldi trug leise einen Becher Brühe herein. »Wehrhöferin?«
Sie schenkte ihm ein halbes Lächeln, als er ihr den Becher reichte. Es war schwierig, etwas zu essen und bei sich zu behalten, weil das Heilwirken stetige Schmerzen verursachte, aber es war lebenswichtig. »Danke, Zenturio.«
»Gern geschehen.« Er hinkte hinüber zum Fenster. »Bei den Krähen, Wehrhöferin. Ich habe es immer gehasst, in die Schlacht zu ziehen. Aber so herumzustehen ist noch schlimmer.« Die Finger seiner Schwerthand öffneten und schlossen sich um seinen Stock.
Isana trank einen Schluck Brühe. »Wie ist die Lage?«
»Kalare gewinnt langsam die Oberhand«, antwortete Giraldi. »Es ist ihm gelungen, Cereus’ Ritter aus der Reserve zu locken, so dass er über sie herfallen konnte.«
Isana schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Wie konnte das geschehen?«
»Er hat die Wohngebiete von seinen Rittern angreifen lassen«, berichtete Giraldi. »Unter anderem das größte Waisenhaus der Stadt sowie einige Straßen, in denen altgediente Legionares ihren Ruhestand verleben.«
Isana verzog das Gesicht. »Bei den großen Elementaren. Der Mann ist ein Ungeheuer.«
Giraldi schnaubte. »Aber er hatte Erfolg.« Seine Stimme nahm einen fernen, unpersönlichen Klang an. »Man kann nicht ewig zuschauen, wie die Alten niedergemacht werden, man kann nicht ewig zuhören, wie ein Kind schreit. Irgendwann muss man eingreifen. Selbst wenn es Wahnsinn ist.«
»Wie groß waren die Verluste?«
»Kalarus und sein Sohn haben sich selbst an dem Angriff beteiligt. Cereus hat die Hälfte seiner Ritter verloren. Überwiegend Ritter Aeris. Wenn Hauptmann Miles und die Ritter der Kronlegion nicht eingeschritten wären, hätten alle bis zum letzten Mann sterben müssen. Cereus wurde verwundet, als er sie aus der Falle befreite. Er und Hauptmann Miles haben sich Kalarus und seinem Sohn vor der Eingangshalle des Waisenhauses entgegengestellt.
Es muss ein unglaublicher Kampf gewesen sein, nach dem, was man so hört.«
»Meiner Erfahrung nach sagen einem die Gerüchte nur selten, wie es in Wirklichkeit abgelaufen ist«, erklärte eine sanfte Stimme von der Tür her.
Isana drehte sich um und sah Hauptmann Miles, der in voller Rüstung, den Helm unter dem linken Arm, in der Tür stand. Rüstung und Helm waren an unzähligen Stellen verbeult und zerkratzt. Der rechte Arm seiner Tunika war bis zum Ellbogen blutgetränkt, und seine Hand ruhte auf dem Heft seines Gladius . Das Haar, in dem sich erstes Grau zeigte, trug er kurzgeschoren wie in der Legion, und er roch nach Schweiß, Rost und Blut. Er war kein außergewöhnlich großer Mann, und sein schlichtes Gesicht strahlte einen starken Sinn für Treue und Verlässlichkeit aus. Als er in den Raum trat, war sein Hinken unübersehbar. Obwohl seine Worte Isana und Giraldi galten, wich sein Blick nicht von dem Mann in der Heilwanne.
»Cereus hat den verwundeten Vogel gespielt und sie angelockt. Sie wollten ihn sich schnappen, und ich habe mich hinter den Dachbalken versteckt. Den Jungen habe ich von hinten erwischt und so schwer verwundet, dass es Kalarus mit der Angst zu tun bekam und mit ihm abgezogen ist.«
»Hauptmann«, sagte Giraldi. »Ich habe gehört, Kalarus habe versucht, dich dafür zu rösten.«
Miles zuckte mit den Schultern. »Ich war nicht in der Stimmung, mich rösten zu lassen. Ich habe mich einfach davongemacht.« Er nickte Isana zu. »Wehrhöferin, weißt du, wer ich bin?«
Isana sah zu Faede und wieder zurück zu Miles. Sie waren Brüder. Auch Miles hatte, wie das übrige Alera, Araris fast zwanzig Jahre lang für tot gehalten. »Ich kenne
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