Die Verschwörer von Kalare
dich«, antwortete sie still.
»Ich möchte dich um einen Gefallen bitten.« Er blickte Giraldi an und bezog ihn mit ein. »Könntest du mir ein paar Augenblicke deiner Zeit widmen, Wehrhöferin?«
»Sie hat zu tun«, sagte Giraldi. Sein Ton klang zwar nicht
gerade respektlos, aber er war auch nicht bereit nachzugeben. »Sie kann keine Ablenkungen gebrauchen.«
Miles stand einen Moment lang da, als wisse er nicht recht, wie er sich verhalten sollte. Schließlich sagte er: »Ich habe mit Fürstin Veradis gesprochen. Sie sagt, möglicherweise bleibt nicht mehr viel Zeit.«
Isana wandte den Blick ab. Die Verzweiflung drohte sie zu überwältigen, verstärkt noch durch die Erschöpfung. Sie wehrte das Gefühl ab. »Ist schon gut, Giraldi.«
Der Zenturio grummelte vor sich hin. Dann nickte er Isana zu und hinkte mit seinem Stock zur Tür. »Einen Augenblick, länger nicht«, sagte er zu Miles. »Ich nehme dich beim Wort, Hauptmann.«
Miles nickte und wartete, bis Giraldi das Zimmer verlassen hatte. Dann ging er zu Faede, kniete sich hin und legte dem bewusstlosen Sklaven eine Hand auf den Kopf. »Er glüht ja förmlich«, sagte er.
»Ich weiß«, erwiderte Isana. »Ich tue, was ich kann.«
»Wahrscheinlich hätte ich eher kommen sollen«, meinte Miles verbittert. »Ich hätte jeden Tag hier sein müssen.«
Von draußen hörte man den lauten, hohlen Donner, der den Angriff von Feuerwirkern begleitete, wenn Feuer plötzlich aus dem Nichts zu einer weißglühenden Kugel aufblüht. Der Feuerdonner wurde Sekunden später beantwortet durch das beinahe ununterbrochene Grollen des Sturms.
»Gewiss hattest du zu tun«, sagte Isana müde.
Miles schüttelte den Kopf. »Daran lag es nicht. Sondern …« Er runzelte die Stirn. »Mein großer Bruder. Stets hat er gewonnen. Wieder und wieder hat er Kämpfe überstanden, die ihn eigentlich hätten umbringen sollen. Und sogar als er schließlich tatsächlich starb, ist er von den Toten auferstanden. Dafür hat er zwar zwanzig Jahre gebraucht, aber er kehrte zurück.« Miles seufzte leise. »Unbesiegbar. Womöglich habe ich mir nicht eingestehen wollen, dass er nicht mehr sein könnte. Dass ich ihn …«
… verlieren könnte, ergänzte Isana in Gedanken.
»Kann er mich hören?«, fragte Miles.
Isana zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht. Manchmal ist er bei Bewusstsein, manchmal nicht. Jeden Tag ist er weniger ansprechbar.«
Miles biss sich auf die Unterlippe. Isana spürte, wie tief sein Kummer, sein Schmerz und seine Reue reichten. Er blickte sie an, und in seinen Augen entdeckte sie Angst wie bei einem Kind. »Stimmt es, was Veradis sagt? Wird er sterben?«, fragte er.
Isana wusste, was Miles hören wollte. Seine Gefühle und seine Augen flehten um ein Fünkchen Hoffnung.
Sie begegnete seinem Blick und antwortete: »Vermutlich. Doch ich werde ihn nicht aufgeben.«
Miles blinzelte mehrmals und fuhr sich mit der rechten Hand über die Stirn, als wolle er Schweiß wegwischen. Dabei verschmierte er das Blut von seinem Ärmel im Gesicht. »Gut«, sagte er leise. Dann beugte er sich zu Faede vor. »Rari. Ich bin es, Miles. Ich …« Er senkte den Kopf, da ihm die Worte fehlten. »Ich bin hier. Rari, ich bin hier.«
Er sah zu Isana hoch. »Kann ich irgendwie behilflich sein?«
Isana schüttelte den Kopf. »Er ist … er ist sehr müde. Und sehr krank. Außerdem hat er den Kampf aufgegeben. Er versucht nicht mehr, gesund zu werden.«
Miles runzelte die Stirn. »Das klingt gar nicht nach ihm. Warum nicht?«
Seufzend erklärte Isana: »Ich weiß es nicht. Er war nur kurz bei klarem Verstand. Und selbst da haben seine Worte nicht viel Sinn ergeben. Schuldgefühle vielleicht. Oder vielleicht ist er einfach zu müde.«
Miles starrte Faede eine Weile an. Er wollte gerade etwas sagen, als Stiefeltritte vor der Tür erklangen.
»Hauptmann!«, rief ein junger Mann mit heller Stimme. Einer der Pagen der Zitadelle vermutlich. »Mein Fürst bittet darum, dich sofort sehen zu dürfen.«
Miles blickte Isana an und rief: »Bin schon unterwegs.« Dann beugte er sich vor und drückte seine Stirn kurz an Faedes. Anschließend richtete er sich auf. »Sollte er noch einmal zu sich kommen, ehe … Bitte sag ihm, ich hätte ihn besucht.«
»Gewiss«, versprach Isana.
»Danke«, antwortete Miles.
Er ging hinaus. Giraldi schob den Kopf ins Zimmer, schaute sich um und verschwand wieder nach draußen. Er schloss die Tür und lehnte sich mit dem Rücken daran, wahrscheinlich, um
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