Die Verschwörer von Kalare
Männern voran.
Plötzlich wogte ein Gefühl der Panik über ihn hinweg, als habe man ihn mit eiskaltem Wasser übergossen.
»Aleraner!«, hörte er Kitais Stimme.
Tavi ließ die Schwerter fallen, warf sich nach vorn und drehte sich herum. Der dunkle Mann hatte sich von Nonus losgerissen und hielt ein übel aussehendes, krummes Messer in der Hand. Damit stach er nach Tavis Hals. Tavi wälzte sich auf den Angreifer zu. Die Klinge verfehlte ihn um Haaresbreite. Tavi gelang es, den Arm des Gegners zu packen, und er zerrte daran. Der dunkle Mann stolperte, und sein zerschmettertes Knie gab unter dem Gewicht nach.
Mit einem lauten Schrei ging der Angreifer zu Boden, ließ das Messer jedoch nicht los und wollte sich sofort wieder hochdrücken.
Kitai sprang vom Dach des Lagerhauses, landete auf seinem Rücken und warf den Kerl auf den Anleger. Sie packte den Helm an der Spitze mit der einen, den Kragen der Tunika mit der anderen Hand und rammte den Kopf mit lautem Fauchen durch die morschen Holzplanken. Jetzt saß der Mann endgültig in der Falle.
Im nächsten Moment nahm die Marat ihn an den Schultern und drehte.
Das Genick brach mit einem garstigen Knacken.
»Bei den Krähen«, fluchte Tavi. Er krabbelte zu seinem Gegner hinüber und tastete am Handgelenk nach dem Puls. Da war nichts mehr zu fühlen. »Ich wollte mich noch mit ihm unterhalten«, sagte er zu Kitai.
Ihre grünen Katzenaugen glühten fast im Schatten. »Er wollte dich umbringen.«
»Das schon«, erwiderte Tavi. »Aber jetzt erfahren wir niemals, wer er eigentlich war.«
Kitai zuckte mit den Schultern und hob das krumme Messer auf, das dem Mann aus der nun schlaffen Hand gerutscht war. Sie hielt es in die Höhe und sagte: »Eine Blutkrähe.«
Tavi betrachtete das Messer und nickte. »Sieht so aus.«
»Subtribun Scipio?«, rief Max.
»Komme sofort«, antwortete Tavi. Er sah Nonus und die anderen Legionares an, die ihn unverwandt anstarrten.
»Wer bist du?«, fragte Nonus leise.
»Ein kluger Soldat«, antwortete Tavi ebenso leise, »weiß, wann er zu schweigen hat. Ihr habt heute schon genug Mist gebaut.«
Nonus schluckte und salutierte.
»Na los, setzt euch in Bewegung«, sagte Tavi laut. Er sammelte die Schwerter wieder ein, während die Legionares losmarschierten, und steckte den kalarischen Krummdolch in seinen Gürtel.
»Was jetzt?«, fragte Kitai.
»Jetzt erstatten wir erst einmal Cyril Bericht«, antwortete Tavi. »Über Ehren und Yanar. Wir erzählen ihm die ganze Geschichte. Der Hauptmann wird schon wissen, was zu tun ist.« Wieder zuckten rote Blitze über den Himmel, und Tavi schauderte. »Komm. Ich habe so das Gefühl, dass wir keine Zeit zu verschenken haben.«
27
»Isana«, knurrte Giraldi. »Wehrhöferin, es tut mir leid, aber die Zeit ist um. Du musst aufwachen.«
Einen Moment lang versuchte Isana, in der seligen Dunkelheit des Schlafes zu verweilen, dann zwang sie sich, die Augen zu öffnen, und setzte sich auf. Sie fühlte sich wie durch den Fleischwolf gedreht, völlig erschöpft, und sie hätte sich am liebsten gleich wieder hingelegt.
Was leider nicht in Frage kam.
Sie drückte die Augen fest zusammen, um die Müdigkeit zu vertreiben. »Danke, Zenturio.«
»Herrin«, erwiderte Giraldi und trat vom Bett zurück.
Veradis saß an der Heilwanne und hielt die Hand des bewusstlosen Sklaven. Sie blickte auf. »Verzeih mir, Wehrhöferin«, murmelte die Heilerin und lächelte schwach, »aber heute habe ich leider nur eine Stunde Zeit.«
»Schon gut, Veradis«, antwortete Isana. »Ohne dich und den Schlaf, den du mir ermöglichst, hätte ich es überhaupt nicht so lange ausgehalten. Wenn ich nur noch kurz …«
Veradis nickte und lächelte nochmals. »Gewiss.«
Isana nahm die Gelegenheit beim Schopf und suchte das Örtchen auf. Als sie zurückgekehrt war, kniete sie sich neben Veradis, schob ihre Hand zwischen die der jungen Fürstin und Faedes und übernahm wieder die Führung im unentwegten Kampf der Elementarkräfte gegen die Infektion. Als sie sich zum ersten Mal von Veradis hatte ablösen lassen, war es ein schwieriges und risikoreiches Unterfangen gewesen, das überhaupt nur deshalb möglich war, weil sich der Stil des Elementarwirkens beider Frauen ungewöhnlich stark ähnelte. Im Laufe der vergangenen zwanzig Tage hatte es sich jedoch zu einer Gewohnheit entwickelt.
Oder sind es schon einundzwanzig, dachte Isana erschöpft. Neunzehn? Die Tage verschmolzen miteinander, seit diese tiefhängenden Sturmwolken
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