Die Verschwörer von Kalare
eintreffen.«
»Nein«, entgegnete Giraldi. »Dieser Sturm hindert die Ritter Aeris daran, höher als ein paar Fuß über dem Boden zu fliegen. Der Erste Fürst konnte bislang keinen Entsatz schicken, und
Kalarus hat die Dammwege zwischen Ceres und der Hauptstadt unterbrochen. Es wird noch mindestens eine Woche dauern, bis sie hier sind.«
Eine Woche. Isana erschien eine Woche beinahe wie ein Zeitraum aus Sagen und Legenden. Vielleicht war das eine Gnade. Ein einziger Tag schon war eine Tortur. Und genau genommen konnte sie sich gar nicht mehr richtig erinnern, wie viele Tage eine Woche eigentlich hatte. »Ich bleibe.«
Giraldi beugte sich vor. »Die Truppen von Kalarus haben eine Bresche in die Stadtmauer geschlagen. Cereus und Miles ist es gelungen, einige Gebäude zum Einsturz zu bringen, um sie eine Weile aufzuhalten, aber es handelt sich allenfalls um Stunden, bestimmt keinen ganzen Tag mehr, ehe sie hier in die Zitadelle zurückgedrängt werden. Die Kämpfe werden mit jeder Stunde schlimmer. Cereus und Miles haben weitere Ritter verloren, und jetzt fordern die Angriffe immer mehr Opfer unter den einfachen Legionares . Veradis und ihre Heiler arbeiten, um Leben zu retten, bis sie vor Müdigkeit zusammenbrechen. Dann raffen sie sich auf und fangen von vorn an. Niemand kann kommen, um dir zu helfen.«
Sie starrte ihn benommen an.
Giraldi beugte sich weiter vor und drehte ihren Kopf in Richtung Faede. »Sieh ihn dir an, Isana. Sieh ihn dir an.«
Sie wollte nicht. Eigentlich konnte sie sich gar nicht recht erinnern, warum nicht, aber sie wollte Araris einfach nicht anschauen. Allerdings brachte sie nicht die Kraft auf, sich dem Befehl zu widersetzen. Sie sah hin.
Araris, Faede, der engste Freund ihres Gemahls, lag blass und still da. Einige Tage lang hatte er schwach gehustet, doch das hatte irgendwann wieder aufgehört, wann genau, hätte sie nicht sagen können. Seine Brust hob und senkte sich kaum mehr, und wenn doch, so erzeugten seine Lungen ein leises Blubbern. Seine Haut hatte an Bauch und Hals ein ungesundes Gelb angenommen. An manchen Stellen war die Haut aufgeplatzt, an anderen rot und
aufgequollen. Das Haar hing strähnig herab, und alles an seinem Körper wirkte weich und irgendwie undeutlich wie bei einer feuchten Lehmfigur, die sich langsam in starkem Regen auflöst.
Zwei Dinge jedoch stachen klar hervor.
Die Narben in seinem Gesicht hoben sich so scharf wie immer vom Rest ab.
Und unter seiner Nase schimmerte überwiegend getrocknetes Blut, begleitet von hässlichen dunkelroten Flecken auf den Lippen.
»Weißt du noch, was Fürstin Veradis gesagt hat?«, erinnerte Giraldi sie. »Es ist vorbei.«
Isana starrte auf das Blut, und ihr fiel wieder ein, was das bedeutete. Sie hatte nicht genug Kraft, um den Kopf zu schütteln, immerhin jedoch brachte sie ein leises »Nein« hervor.
Giraldi drehte ihr Gesicht wieder zu sich. »Die Krähen mögen es holen, Isana«, sagte er niedergeschlagen. »Manche Kämpfe sind einfach nicht zu gewinnen.«
Feuerdonner grollte draußen ganz in der Nähe, ließ die Möbel wackeln und erzeugte ein Kräuseln auf der glasigen Oberfläche des Wassers in der Wanne.
Der Veteran schaute zum Fenster, dann wieder zu Isana. »Es ist so weit, Wehrhöferin. Du hast seit Tagen nicht geschlafen. Du hast alles versucht. Die Elementare wissen, wie sehr du dich angestrengt hast. Aber er wird sterben. Bald. Wenn du dich nicht zurückziehst, wirst du mit ihm sterben.«
»Nein«, wiederholte Isana. Sie hörte das Zittern in ihrer eigenen Stimme.
»Verfluchte Krähen«, entfuhr es Giraldi ebenso freundlich wie erbost. »Wehrhöferin. Isana. Bei Krähen und Asche, Mädchen. Faede würde nicht wollen, dass du dein Leben für nichts vergeudest.«
»Die Entscheidung liegt bei mir.« So viele Worte erforderten große Anstrengung und raubten ihr den Atem. »Ich werde ihn nicht im Stich lassen.«
»Doch«, erwiderte Giraldi hart. »Ich habe Bernard versprochen, auf dich aufzupassen. Bevor es zum Äußersten kommt, Isana, werde ich dich losschneiden und aus dem Zimmer zerren.«
Eine leise, sehr ferne Woge des Trotzes lief durch Isanas Gedanken und verlieh ihrer Stimme eine kaum wahrzunehmende Entschlossenheit. »Bernard würde niemals einen der Seinen aufgeben.« Sie holte Luft. »Das weißt du. Faede ist einer der Meinen. Ich werde ihn nicht aufgeben.«
Giraldi antwortete nicht, schüttelte den Kopf und zog das Messer aus dem Gürtel. Er griff nach dem Seil, das ihre Hand an Faedes
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