Die Verschwörer von Kalare
würde, erschien es mir viel schneller, einfach hier auf ihn zu warten, Hauptmann.«
Kitai schnaubte und sagte: »Aleraner, hast du wirklich geglaubt, du könntest uns befehlen, vor der Gefahr zu fliehen, während du ihr allein entgegentrittst?«
Tavi sah Kitai einen langen Moment schweigend in die Augen. Dann blickte er Ehren an. »Ich habe keine Zeit, mit euch zu streiten«, sagte er leise. »Aber falls wir das hier überleben, werde ich euch das Fell über die Ohren ziehen.«
»Das«, murmelte Kitai, »könnte ja durchaus interessant werden.«
Tavi spürte, wie seine Wangen zu brennen begannen, und er wandte sich wieder an seine Männer. »Die Canim sind so vorgegangen, wie wir es von ihnen erwartet haben. Ihre Plünderer haben versucht zu vollenden, was die Krieger begonnen haben. Der Erste Speer Valiar Marcus und eure Legionsbrüder haben ihnen allerdings einen Strich durch die Rechnung gemacht. Und nachdem wir uns jetzt ausgeruht haben, sind wir nun an der Reihe. Wir werden die Canim hinter die Mauer in der Mitte und hinter den Brückenbogen zurückdrängen. Ihr und ich zusammen mit Tribun Antillus, all unseren Rittern und den anderen Legionares , wir werden die Canim so hart treffen, dass ihre Zähne über ihren krähenverfluchten Ozean in ihre scheußliche Heimat fliegen.«
Die Kohorte brüllte vor Lachen.
»Wenn wir das schaffen«, sagte Tavi, »gehört der Sieg uns. Und dann gibt es Bier auf meine Kosten.« Er wartete ab, bis das Lachen wieder abgeebbt war. »Aber gleichgültig, was auch passiert: Nachdem wir die Pioniere an Ort und Stelle gebracht haben, damit sie die Brücke zerstören können, müssen wir die Stellung halten. Gleichgültig, was sonst passieren mag, die Brücke muss zum Einsturz gebracht werden. Ihr wisst, was das bedeutet, und ihr seid trotzdem hier.«
Tavi zog sein Schwert, nahm Haltung an und salutierte vor den Reihen der jungen Männer mit Krähen-Abzeichen.
»Erste Aleranische, Schlachtkrähen-Kohorte!«, brüllte Tavi. »Erste Aleranische, Ritter Pisces! Kommt ihr mit mir?«
Sie antworteten, indem sie aus voller Kehle brüllten und ihren Stahl zogen. Max, Ehren, Kitai und die Ritter Terra fielen ebenfalls mit ein.
Dann drehte sich Tavi um und führte die Schlachtkrähen und die Ritter Pisces hinaus auf die Elinarcus.
52
Die Elinarcus war ein Wunderwerk aleranischer Baukunst. Sie spannte sich über eine halbe Meile weit über das Wasser des Tibers und bestand aus massivem Granit, der aus den Gebeinen der Erde gezogen worden war. Die Brücke war mit eigenen Elementaren ausgestattet und dadurch beinahe ein Lebewesen, das Beschädigungen selbstständig beheben konnte und auch das Dehnen in der Sommerhitze sowie das Zusammenziehen im kalten Winter auszugleichen vermochte. Die Kräfte, die in Straßen und Dammwegen den aleranischen Reisenden bei der Fortbewegung halfen, waren auch in der Brücke wirksam. Sie konnte die Oberfläche verändern, damit sich kein Eis bildete oder bei Stürmen das Regenwasser in kleinen Rinnen abfloss.
Doch bei diesem Sturm liefen die Rinnen voll Blut.
Tavi führte seine Männer im Eilschritt auf die Brücke. Nach wenigen Schritten bereits bemerkte Tavi das Blut in den Rinnen. Zuerst meinte er, die rote Wolkendecke glänze lediglich auf dem Regenwasser. Doch der Niederschlag hatte bereits Stunden zuvor aufgehört, und der düstere Tag saugte alle Farbe aus der Welt. Und auch da begriff er noch nicht, dass es sich um Blut handelte, sondern erst, als er es roch - scharf, metallisch, Übelkeit erregend.
Es waren keine großen Ströme, nur so tief wie die gewölbte Hand eines Mannes, nur so breit wie seine ausgestreckten Finger. Jedenfalls wären es keine bedeutenden Ströme Regenwasser gewesen. Doch Tavi wusste, dieses Blut hatte gerade noch den vielen, vielen Männern gehört, die jetzt tot auf dem kalten, seelenlosen Stein der Brücke lagen.
Er wandte den Blick ab und zwang sich, nach vorn zu schauen, hin zur Kuppe, die vor ihm lag. Hinter ihm übergab sich ein
Legionare , der wohl gerade erkannt hatte, was da durch die Rinnen lief.
»Augen geradeaus!«, rief Tavi seinen Männern zu. »Wir haben eine Aufgabe zu erledigen! Lasst euch nicht ablenken!«
Sie erreichten die letzte Verteidigungsmauer, die nun lediglich von vielleicht einer halben Kohorte Legionares bemannt war - von denen keiner unverwundet geblieben war; allerdings konnten sie noch ihre Waffen halten. Sie salutierten, als Tavi und seine Freiwilligen heranmarschierten.
»Los, holt
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