Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verschwörer von Kalare

Die Verschwörer von Kalare

Titel: Die Verschwörer von Kalare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
Vom Netzwerk:
lang und ungekämmt getragen hatte, konnte
sie nie das ganze Gesicht sehen, nie beide Augen auf einmal. Er hatte sie ihr nicht zeigen wollen. Er hatte sie nicht wissen lassen wollen, was er für sie empfand.
    Liebe.
    Selbstlos, still, stark.
    Durch diese Liebe hatte er die Jahre der Plackerei und Einsamkeit ertragen, diese Liebe hatte ihn veranlasst, seine eigene Person aufzugeben, sich zu brandmarken, sich zu tarnen, obwohl es ihn seine Stellung, seinen Stolz und sein Leben als Soldat gekostet hatte. Und nicht zuletzt seine Familie. Im Namen der Liebe hatte er freiwillig alles getötet, was er darstellte, und nicht nur seine Gefühle für Isana. Sie spürte es ebenfalls in ihm, diese bittersüße, tiefe Trauer um seinen Freund und Herrn Septimus, und darüber hinaus für dessen Frau und Sohn.
    Um dieser Liebe willen hatte er gekämpft, um Septimus’ Familie zu beschützen, hatte ein Leben voll harter Arbeit in der Schmiede eines Wehrhofs erduldet. Für diese Liebe hatte er sein eigenes Leben zerstört, und noch jetzt würde er ohne zu zögern seinen letzten Atemzug und seinen letzten Tropfen Blut dafür geben, um sie weiterhin zu beschützen. Seine Liebe würde sich mit nichts anderem zufriedengeben.
    Isana stiegen die Tränen in die Augen, als die Wärme und die Kraft dieser Liebe über sie hinwegströmten, ein stiller Ozean, dessen Wellen im Rhythmus seines Herzens auf und ab wogten. Isana verspürte Achtung - und Demut - dafür. Und noch etwas regte sich in ihr zur Antwort. Zwanzig Jahre hatte sie es nur in Träumen gefühlt. Nun brach etwas in ihr wie ein Eisblock unter einem Hammer, und ihr Herz jubilierte. Sie lachte, wie sie seit vielen Jahren nicht mehr gelacht hatte.
    Deshalb hatte sie es nie bei ihm gespürt. Sie hatte nie gespürt, wie es in ihr wuchs während der langen Jahre der Arbeit, des Grams und der Reue. Sie hatte sich nicht erlaubt zu sehen, dass der Same Wurzeln geschlagen hatte und gewachsen war. Still und geduldig hatte es gewartet bis zum Ende des Winters
und der Trauer, des Kummers und der Sorge, in dem ihr Herz gefroren war. Hatte auf die neue Wärme gewartet. Auf das Frühjahr.
    Seine eigene Liebe hatte Araris Valerian erstickt.
    Ihre hatte ihn zu neuem Leben erweckt.
    Sie traute ihren Beinen keinen Schritt zu, deshalb streckte sie ihm eine Hand entgegen.
    Araris bewegte sich vorsichtig, da er sich offensichtlich noch längst nicht erholt hatte. Sie nahm alles verschwommen wahr, doch seine Hand berührte die ihre warm und sanft, und ihre Finger umschlangen sich. Sie lachte unter Tränen und hörte, wie er einfiel. Er legte die Arme um sie, und sie hielten einander fest und lachten und weinten.
    Sie sagten kein einziges Wort.
    Das war auch nicht notwendig.
     
    Amara blickte müde von ihrem Buch auf, als die Klinke der Tür zu ihrem Zimmer in den Gästegemächern des Fürsten Cereus nach unten ging. Die Tür öffnete sich, und Bernard kam mit einem Tablett voller Speisen herein. Er lächelte sie an. »Wie geht es dir?«
    Amara seufzte. »Man sollte meinen, ich hätte mich an die Bauchschmerzen gewöhnt. Schließlich hatte ich sie jeden Monat, seit ich ein Mädchen war.« Sie schüttelte den Kopf. »Wenigstens rolle ich mich nicht mehr zusammen und wimmere.«
    »Das ist gut«, sagte Bernard leise. »Hier. Pfefferminztee, dein Lieblingstee. Und ein bisschen gebratenes Hähnchen …« Sie saß auf einem Stuhl vor dem Kamin, und er ging zu ihr hinüber. Trotz der Sommerhitze draußen war es im Inneren der dicken Steinmauern von Cereus’ Zitadelle unangenehm kühl, besonders wegen ihrer Bauchschmerzen. Sie war erschöpft von der Reise, hatte einige blaue Flecken und Kratzer sowie Schürfwunden einstecken müssen, hatte sich die Schulter ausgerenkt und musste ständig an Gewalt und Tod denken. Dazu gesellte sich dann noch
die Enttäuschung, als ihre Monatsblutung einsetzte. Daher hatte sie Bernards Angebot angenommen, an ihrer Stelle dem Ersten Fürsten und den Hohen Fürsten Cereus und Placidus Bericht zu erstatten.
    Vielleicht hatte das ein wenig schwächlich gewirkt. Aber wie schwächlich hätte es wohl ausgesehen, heulend vor diesen Herren zusammenzubrechen? Ohne Zweifel würde sie die Entscheidung später bereuen, wenn sich die Erinnerung an den Schmerz verflüchtigt hatte, aber im Augenblick, als sie sich körperlich und seelisch so erschlagen fühlte wie nie zuvor, hegte sie nicht den geringsten Groll gegen sich, weil sie sich die Zeit zur Erholung nahm.
    »Wie war das Treffen?«,

Weitere Kostenlose Bücher