Die Verschwörer von Kalare
euch den Eid einzeln abnehmen. Ich werde euch während der nächsten beiden Tage zu mir kommen lassen. Inzwischen übergibt euch Lorico eure Dienstanweisungen und lässt euch in eure Unterkünfte führen. Es wäre mir eine Freude, wenn ich euch alle zum Abendessen an meinem Tisch begrüßen dürfte. Und nun weggetreten.«
Die Sitzenden erhoben sich, und die Männer bildeten höflich eine Gasse, um die Fürstin von Antillus durchzulassen. Einige unterhielten sich, während sie ein Lederfutteral mit den Befehlen von Lorico entgegennahmen.
»Na dann mal los, Jungs«, murmelte Magnus, ohne sein Futteral auch nur zu öffnen. »Ich werde mich an die Arbeit machen. Viel Glück.« Er lächelte und trat zurück ins Zelt des Hauptmanns.
Tavi ging mit Max davon und las seine Befehle. Die waren schlicht und einfach. Er sollte sich beim Tribun Gracchus melden und ihm bei der Verwaltung der Vorräte und der entsprechenden Bestandslisten helfen. »Er war anders, als ich erwartet habe«, sagte Tavi.
»Hm?«, fragte Max.
»Der Hauptmann«, ergänzte Tavi. »Ich hätte ihn mir eher wie Graf Graem vorgestellt. Oder wie Ritter Miles.«
Max brummte irgendetwas, und Tavi betrachtete seinen Freund stirnrunzelnd. Der große Antillaner war bleich im Gesicht, und auf der Stirn hatten sich Schweißperlen gebildet. Das war nichts Neues für Tavi, denn er hatte Max schon etliche Male einen Kater vom Trinken ausgetrieben. Doch nun entdeckte er in der Miene des Freundes etwas anderes: Furcht.
Max hatte Angst.
»Max?«, fragte Tavi leise. »Was ist denn los?«
»Nichts«, meinte Max barsch.
»Fürstin Antillus?«, fragte Tavi. »Ist sie deine …«
»Stiefmutter«, ergänzte Max.
»Und deshalb ist sie hier? Deinetwegen?«
Max blickte nach rechts und links. »Zum Teil. Aber wenn sie sich die Mühe gemacht hat, den weiten Weg hierher auf sich zu nehmen, dann vor allem, weil mein Halbbruder hier ist. Das ist mit Sicherheit ihr einziger Grund.«
Tavi runzelte die Stirn. »Du hast Angst.«
»Bist du verrückt?«, erwiderte Max, jedoch ohne die zu erwartende Empörung. »Nein, habe ich nicht.«
»Aber …«
Plötzlich bekam Max’ Stimme etwas Bissiges. »Lass mich einfach in Ruhe, Calderon, sonst kriegst du am Ende noch eins in die Fresse.«
Tavi blieb geschockt stehen und starrte seinen Freund an.
Ein paar Schritte weiter blieb auch Max stehen. Er drehte den Kopf ein wenig, so dass Tavi das Profil mit der gebrochenen Nase sehen konnte. »Tut mir leid, Subtribun Scipio.«
Tavi nickte ihm knapp zu. »Kann ich etwas für dich tun?«
Max schüttelte den Kopf. »Ich muss dringend was trinken. Und zwar viel.«
»Hältst du das für schlau?«, fragte Tavi.
»Ach«, meinte Max, »wer will schon ewig leben?«
»Wenn ich etwas für dich …«
»Du kannst nichts für mich tun«, gab Max zurück. »Das kann niemand.« Dann stolzierte er davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Tavi schaute seinem Freund stirnrunzelnd hinterher. Er machte sich Sorgen um ihn. Aber er konnte Max nicht zwingen, ihm die Hintergründe zu erzählen, wenn er nicht wollte. So blieb ihm nichts anderes übrig, als zu warten, bis sich Max entschied, darüber zu reden.
Wenn nur Kitai hier gewesen wäre und er mit ihr darüber hätte sprechen können.
Doch für den Augenblick musste er sich seinen Pflichten zuwenden. Tavi las seine Befehle erneut, rief sich den Lagerplan in Erinnerung, den Max und der Maestro ihm eingebläut hatten, und machte sich an die Arbeit.
5
Isana erwachte mit dem Gefühl, dass der Platz auf der schlichten Strohmatratze neben ihr leer war. Ihr Rücken fühlte sich kalt an. In ihren Sinnen mischten sich auf verwirrende Weise Rufe und eigenartiges Licht, und es dauerte einen Augenblick, bis sie nach dem Schlaf die Orientierung wiedererlangt hatte und die Geräusche ihrer Umgebung einordnen konnte.
Stiefeltritte auf hartem Boden, die Schritte vieler Menschen. Ergraute Zenturionen brüllten Befehle. Metallisches Scharren, Legionares , die im Gleichschritt marschierten und immer wieder an den Schulterstücken leicht aneinanderstießen, das Rasseln von Beinschienen, Schwertern, Schilden, stählernen Bändern der Rüstungen. Kinder schrien. Irgendwo, nicht weit entfernt, stieß ein kriegserfahrenes Pferd ein ängstliches Wiehern aus. Isana hörte sogar, wie der Reiter leise und ruhig auf das Tier einsprach.
Einen Atemzug später überflutete die Anspannung ihre Wasserwirkersinne in einer Welle aus Emotionen, die mächtiger als alles andere
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