Die Verschwörer von Kalare
einem Mann, bei dem sich Anmut der Bewegung und
enorme Körperkraft in einem wunderbaren Gleichgewicht vereinten. Seine goldene Haarmähne fiel ihm bis auf die Schultern, und die funkelnden, beinah schwarzen Augen verrieten überdurchschnittliche Klugheit. Seine Haltung verkündete ungetrübtes Selbstvertrauen, denn seine Elementarkräfte waren unerreicht in Alera, wenn man einmal von denen des Ersten Fürsten absah.
»Wehrhöferin«, begrüßte er Isana freundlich.
Sie nickte, obwohl sie spürte, wie ihr Hals dabei starr wurde. Da sie fürchtete, unhöflich zu klingen, wenn sie spräche, schwieg sie lieber.
»Ich finde es wunderbar, die Feiertage auf Reisen zu verbringen«, murmelte die Frau nun aus unmittelbarer Nähe. »Und ich kann ganz hervorragend auf mich selbst aufpassen. Außerdem hast du Arbeit zu erledigen.«
Die Frau stieg in die Windkutsche und ließ sich ihr gegenüber nieder. Invidia, die Hohe Fürstin von Aquitania, bot von Kopf bis Fuß den Anblick, den man von einem Mitglied höchster Civitas erwartete. Sie war blass, dunkelhaarig und von fürstlicher Statur. Obwohl Isana wusste, dass die Fürstin von Aquitania in den Vierzigern war, so wie ihr Mann und die Wehrhöferin selbst auch, wirkte sie kaum wie zwanzig. Denn wie alle, die mit ausreichenden Wasserkräften gesegnet waren, genoss sie eine scheinbar ewige Jugend. »Guten Abend, Isana.«
»Fürstin«, murmelte Isana. Zwar konnte sie die Frau nicht besser leiden als ihren Gemahl, den Fürsten von Aquitania, aber zumindest gelang es ihr, höflich mit ihr umzugehen, wenn schon nicht freundlich.
Invidia wandte sich ihrem Mann zu und beugte sich vor, um ihn zu küssen. »Bleib nicht wieder die ganze Nacht auf. Du brauchst deinen Schlaf.«
Er zog die goldenen Augenbrauen hoch. »Ich bin der Hohe Fürst von Alera, nicht irgendein törichter Akadem.«
»Und Gemüse«, sagte sie, als habe sie nichts gehört. »Iss nicht nur immer Fleisch und Süßes, sondern auch reichlich Gemüse.«
Der Fürst runzelte die Stirn. »Ich denke, so würdest du dich die ganze Zeit benehmen, falls ich tatsächlich darauf bestehe, dich zu begleiten.«
Sie schenkte ihm ein hinreißendes Lächeln.
Er verdrehte die Augen, gab ihr einen Kuss und sagte: »Du bist unmöglich. Also gut, wie du willst.«
»Natürlich«, erwiderte sie. »Leb wohl, mein Fürst.«
Er neigte den Kopf in ihre Richtung, nickte Isana zu und schloss die Tür. Daraufhin klopfte er zweimal an die Seite der Windkutsche. »Hauptmann, pass gut auf sie auf.«
»Mein Fürst«, erwiderte eine männliche Stimme draußen, und die Ritter Aeris hoben die Windkutsche an. Der Wind nahm zu und wurde zu einem beständigen Rauschen, an das sich Isana im Laufe der vergangenen beiden Jahre gewöhnt hatte, und eine unsichtbare Kraft drückte sie in den Sitz, während sie hinauf in den Himmel schossen.
Einige Momente verstrichen in Schweigen, und Isana nutzte die Gelegenheit, lehnte den Kopf an ihr Kissen und schloss die Augen. Sie hoffte, wenn sie sich schlafend stellte, würde sie sich nicht mit der Fürstin unterhalten müssen. Ihre Hoffnungen wurden allerdings bald enttäuscht.
»Ich muss mich für die lange Reise entschuldigen«, sagte die Fürstin schon nach kurzer Zeit. »Aber die Winde in der Höhe sind zu dieser Jahreszeit immer ein wenig schwierig; in diesem Jahr scheinen sie sogar richtig gefährlich. Deshalb müssen wir tiefer fliegen als sonst.«
Isana behielt den Gedanken für sich, dass sie immer noch wesentlich höher waren als bei einem Spaziergang auf dem Boden. »Bedeutet das einen Unterschied?«, fragte sie, ohne die Augen zu öffnen.
»Es ist schwieriger, die Windkutsche in der Luft zu halten, und man kommt nicht so schnell voran«, antwortete die Fürstin von Aquitania. »Meine Ritter Aeris fliegen viel langsamer, und wegen der vielen Zwischenlandungen, die notwendig sind, um
meine Anhängerschaft zu besuchen, werden wir unser Ziel deutlich später erreichen.«
Isana seufzte. »Wie viel später?«
»Fast drei Wochen später, wurde mir gesagt. Und das ist eine zuversichtliche Schätzung, die davon ausgeht, dass uns an allen Haltepunkten frische Mannschaften von Ritter Aeris zur Verfügung stehen.«
Drei Wochen. Das war zu lange, um sich schlafend zu stellen, ohne dass ihre Gönnerin es als Beleidigung auffassen würde. Isana wusste durchaus, wie wertvoll sie für Aquitania war, und obwohl sie auf das sonst übliche Katzbuckeln und Geschmeichel verzichten durfte, gab es Grenzen, die sie
Weitere Kostenlose Bücher