Die Verschwörung
seinen Partner setzen müssen, um ihn daran zu hindern, ihre Geisel umzubringen.
Und jetzt warteten sie. Entführungen waren mittlerweile ein etablierter Berufszweig, und da gab es Regeln. Nach einer angemessenen Frist schickte man als Erstes einen Lockbrief. Oder, wie in diesem Fall, eine E-Mail. Dann ließ man ihn ein Weilchen schmoren, damit der Erpresste schön nervös wurde, und schließlich servierte man ihm die Lösegeldforderung.
Michail und Kamar hockten in Michails Wohnung am Lenin Prospekt und warteten auf Britwas Anruf. Sie trauten sich nicht einmal, zum Luftschnappen nach draußen zu gehen. Aber viel zu sehen gab es ohnehin nicht. Murmansk war eine dieser russischen Städte, die komplett aus Beton zu bestehen schienen. Und der Lenin Prospekt war nur schön anzusehen, wenn er tief verschneit war.
Kamar kam aus dem Schlafzimmer herüber. Auf seinem Gesicht lag fassungsloses Staunen. »Er will Kaviar! Das ist ja wohl nicht zu glauben! Ich gebe ihm einen schönen Teller Stroganina , und dieser undankbare Irlandez will Kaviar.«
Michail verdrehte die Augen. »Im Koma war er mir sympathischer.«
Kamar nickte und spuckte in den Kamin. »Außerdem beschwert er sich, dass das Bettzeug kratzt. Der Kerl kann froh sein, dass ich ihn nicht in einen Sack stecke und in die Bucht werfe...«
Das Klingeln des Telefons unterbrach seine leeren Drohungen.
»Das ist es, mein Freund«, sagte Wassikin und schlug Kamar auf die Schulter. »Jetzt geht's los.«
Er nahm den Hörer ab. »Ja?«
»Ich bin's«, sagte eine Stimme durch das Knistern in der Leitung.
»Ah, Britwa!«
»Schnauze, Sie Idiot! Sie sollten mich doch nie mit Namen anreden!«
Michail schluckte. Der Menidzher hatte es nicht gern, wenn man ihn mit seinen diversen Geschäften in Verbindung bringen konnte. Das bedeutete: keine schriftlichen Unterlagen und keine Erwähnung seines Namens, solange die Gefahr bestand, abgehört zu werden. Für gewöhnlich telefonierte er nur, während er mit dem Auto in der Stadt herumfuhr, damit sein Standort nicht ermittelt werden konnte.
»Tut mir Leid, Boss.«
»Das hoffe ich.« erwiderte der Mafija-Chef. »Jetzt hören Sie zu, und halten Sie die Klappe, Sie haben ohnehin nichts zu sagen.«
Wassikin legte die Hand über die Muschel. »Alles in Ordnung«, flüsterte er mit erhobenem Daumen. »Er ist sehr zufrieden mit uns.«
»Diese Fowls sind verdammt clever«, sagte Britwa. »Und ich bin sicher, dass sie versuchen, die E-Mail zurückzuverfolgen.«
»Aber ich habe die Mail mit einem Zerfallvirus infiziert -«
»Was habe ich eben gesagt?«
»Sie sagten, ich solle nichts sagen, Brit... Boss.«
»Ganz recht. Also, schicken Sie die Lösegeldforderung ab und bringen Sie Fowl zum Übergabeort.«
Michail erbleichte. »Zum Übergabeort?«
»Ja, genau. Dort wird niemand nach Ihnen suchen, das garantiere ich Ihnen.«
»Aber -«
»Schluss mit dem Gequassel! Reißen Sie sich zusammen, Mann! Es ist ja nur für ein paar Tage. Selbst wenn Ihre Lebenserwartung um ein Jahr sinkt, es wird Sie schon nicht umbringen.«
Wassikin durchforstete sein Hirn fieberhaft nach einer Antwort. Vergeblich.
»Okay, Boss. Wie Sie meinen.«
»So ist's brav. Hören Sie zu, Mann. Das ist Ihre große Chance. Wenn Sie die Sache gut über die Bühne bringen, steht Ihrem Aufstieg innerhalb der Organisation nichts im Weg.«
Wassikin strahlte. Ein Leben voller Champagner und großer Autos winkte.
»Wenn dieser Mann tatsächlich Fowl senior ist, wird der Junge bezahlen. Sobald Sie das Geld haben, versenken Sie die beiden in der Kola-Bucht. Ich will keine Überlebenden, die womöglich eine Vendetta starten. Rufen Sie mich an, wenn es irgendwelche Probleme gibt.«
»Okay, Boss.«
»Ach, und noch was.«
»Ja?«
»Rufen Sie mich nicht an.«
Am anderen Ende wurde aufgelegt. Wassikin stand da und starrte den Telefonhörer an, als wäre er eine giftige Kröte.
»Und?«, fragte Kamar.
»Wir sollen die zweite Nachricht abschicken.«
Ein breites Grinsen zog sich über Kamars Gesicht. »Wunderbar. Dann ist die Warterei endlich bald vorbei.«
»Und danach sollen wir die Geisel zum Übergabeort bringen.«
Das Grinsen verschwand so schnell wie ein Fuchs im Kaninchenbau. »Was - jetzt?«
»Ja, jetzt.«
Kamar begann, in dem engen Wohnzimmer auf und ab zu tigern. »Das ist doch verrückt! Vollkommen schwachsinnig! Fowl kann frühestens in ein paar Tagen hier sein. Weshalb müssen wir die ganze Zeit da hocken und das Gift einatmen? Was soll das denn
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