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Die Verschwörung der fetten Frauen (German Edition)

Die Verschwörung der fetten Frauen (German Edition)

Titel: Die Verschwörung der fetten Frauen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catrin Alpach
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anders zu erwarten. Schmeckt himmlisch. Dazu ein Espresso. Mit Zucker. Einem Tütchen, nein, ich gebe es zu: zwei. Ich muss hier raus, bevor die Kaffeetanten kommen und Thea auf ihren langen Stöckeln zur Kuchentheke tappt. Das ist Unzucht mit Abhängigen, was sie da inszeniert, ich bin nicht voll zurechnungsfähig. Ich bin... weder Constanze noch Paula, ich bin ein Wesen, das sich selbst nicht kennt, ich bin – ein Fake.
    Sabine Müller. Plötzlich ist der Name da.

Sabine

    Küsschen links, Küsschen rechts. Wir verabschieden uns vor dem Café Meier, als seien wir seit Ewigkeiten die besten Freundinnen. Habe ich überhaupt schon einmal beste Freundinnen gehabt? Ja, viele. Bis sie eines Tages auf Nimmerwiedersehen in Ehe, Mutterschaft und Beruf verschwunden sind, aus besten Freundinnen wurden Freundinnen, aus Freundinnen Bekannte, aus Bekannten die Schreiberinnen von Postkarten zu Weihnachten – und schließlich waren sie ganz weg. Geblieben sind vergilbte Fotos in einer Rumpelkammer meines Gedächtnisses, ebenso lächelnd und alterslos wie das Foto von Constanze Corzelli. Manchmal tauchen sie auf, Erinnerungen, und es fühlt sich gut an, wenn sich die Bilder zu bewegen beginnen und noch einmal... Nein, das will ich mir jetzt nicht vorstellen. Es tut einfach weh.
    Sabine Müller, deren Name wie Leuchtreklame in meinem Kopf blinkt, war nie eine beste Freundin. Wir hockten ein Schuljahr lang nebeneinander, sie war gerade sitzengeblieben und deshalb ein Jahr älter als wir anderen Mädels. Was sie für uns interessant machte, war ihre Behauptung, »es schon mal getrieben« zu haben. Wie sie »es« ausschmückte, klang glaubwürdig, weil wir damals noch keine Möglichkeit hatten, es via Youporn nachzuprüfen. Erst später wurde uns klar, dass Sabine Müller entweder gelogen haben musste oder an einen besonders merkwürdigen Typen geraten war. »Wenn man sich küsst«, hatte sie behauptet, »zieht der Junge vorher ein Gummi über die Zunge, damit man von den Bazillen nicht schwanger wird. Um einen steifen Penis zu bekommen, muss der Junge an Marylin Monroe denken. Ohne steifen Penis funktioniert Sex irgendwie nicht richtig, keine Ahnung, warum.«
    Das also war Sabine Müller, die wie all die anderen irgendwann aus meinem Leben verschwunden und plötzlich wieder da ist, jedenfalls ihr Name. Ein Allerweltsname. Bestimmt gibt es eine Million Sabine Müllers im Internet und es kommt auf eine mehr oder weniger nicht an.
    In der Redaktion herrscht Hektik. Ludwig, seine Kamera vor der Brust baumelnd, in der Linken ein Stativ, in der Rechten eine zerfledderte Landkarte, steht bei Daniela Hungerbühler, die dreimal hintereinander »Großdupfingen liegt nicht an der Saale!« beteuert. Großdupfingen? Was will sie dort? Und vor allem: Was will sie mit Ludwig dort? Der Arme schaut flehend zu mir herüber, ich kneife ein Auge zu und grinse. Da musst du jetzt durch, mein Lieber!
    Auf meinem Schreibtisch liegt das Protokoll der letzten Redaktionssitzung. Anstatt es abzuheften, werfe ich es gleich in den Papierkorb. Sabine Müller, Sabine Müller...
    »Welche Sabine?«
    Oh mein Gott, ich habe laut gedacht! Ella, die mit verquollenen Augen hinter mir steht, sieht mich traurig an.
    »Ich dachte, du wärst krank?« frage ich scheinheilig. Ella zieht die Nase hoch.
    »Du weißt genau, dass ich nicht krank bin. Wenn ich Heike anrufe und ihr sage, dass ich vor lauter scheiß Liebeskummer nicht aus dem Bett komme, kann ich mich wohl drauf verlassen, dass es zehn Minuten später die ganze Belegschaft weiß.«
    Das ist ungerecht! Ich habe es erst nach drei Stunden erfahren!
    »Alles wieder klar? So halbwegs?«
    »Ja«, sagt Ella und im nächsten Moment produzieren ihre Augen einen halben Liter Tränenflüssigkeit. »Was bin ich froh, dass ich den Arsch endlich los bin! Stell dir vor, er behauptet, ich sei zu dick!«
    »Da fehlen mir die Worte!« sage ich. »Du? Zu dick? Du bist...«
    »Fett«, ergänzt Ella niedergeschlagen. »Das weiß ich selber. Ich lach mir keinen Kerl an, nur damit ich einen hab, der mir das dreimal täglich sagt.«
    Wir verziehen uns in die Kaffeeküche, ich nehme Ella in den Arm.
    »Keine Frau ist fett«, tröste ich. »Das behaupte ich nur, weil ich am Monatsende meine Miete bezahlen muss.«
    »Du sprichst schon wie diese fetten Frauen im Internet«, lächelt Ella. »Soll ich dir was verraten? Aber nicht böse sein, okay?«
    Ich verspreche, nicht böse zu sein.
    »Die haben Recht«, sagt Ella, »und du hast auch Recht.

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