Die Verschwörung der fetten Frauen (German Edition)
Verstand (oder das, was davon übrig ist) wird beruhigend verkünden: Es ist gesund. Es macht dich schlank und begehrenswert. Die Männer werden Schlange stehen.
Ja, werden sie auch. An den Schaltern der Fluggesellschaften und der Deutschen Bahn. Sie wollen dieses Land der rhabarbergeschädigten Frauen fluchtartig verlassen. Constanze grinst. Gut so!
Ab und zu, wenn sie einen Schreibkrampf in die Finger kriegt, schaut sich Constanze um. Ella, die Arme. Seit Tagen sitzt das arme Ding traurig an seinem Tisch, die Gedanken weit weg bei einem Typen, der inzwischen längst im Paradies der idealgewichtigen Frauen wildert. Vor ihr liegt eine prallgefüllte Bäckertüte. Sie scheint niemals leer zu werden, obwohl Ellas Hand von Zeit zu Zeit hineingreift, mit einem Stück Zimtkuchen, Puddingschnecke oder Marzipanblätterteig herauskommt und das Zeug gedankenverloren in den Mund befördert, wo es noch gedankenverlorener zerkaut und geschluckt wird. Männer!, denkt Constanze. Ohne Männer wäre das Leben... irgendwie unvollständig und ich meinen Job los. Sie hat das Buch dieser Schriftstellerin gelesen – heißt sie nicht Louise Krämer? - »Frauenroman« heißt es, in dem eine Welt ganz ohne Männer beschrieben wird. Schön. Es ist eine Welt ohne Rhabarber und Bäckertüten, die niemals leer werden. Eine Welt ohne Pfunde, die wie Tumore wuchern. Eine Welt – ohne Constanze Corzelli, denn in einer Welt ohne Männer braucht man keine Diät.
Dann naht die Mittagspause. Paula nimmt den Knebel aus dem Mund und steckt ihn Constanze in den ihren. Die wehrt sich dagegen, doch umsonst. Hilflos muss sie mit ansehen, wie Paula, diese Tonne auf zwei Beinen, zum Café Meier aufbricht. Und sie benutzt den Fahrstuhl! Vorher hat sie Ella, die immer noch mit ihrer Bäckertüte beschäftigt ist, tröstend übers Haar gestrichen und ein paar aufmunternde Worte hinterlassen.
Im Café Meier wartet schon Thea auf die neue Freundin. Küsschen links, Küsschen rechts. Elvira, das alte Servierfräulein, versteht die Welt nicht mehr. Irgendetwas ist passiert. Die Pfaff lässt den Salat Salat sein und bestellt stattdessen eine Gulaschsuppe mit Weißbrot. Zwei Scheiben, bitte! Und die Eiskarte! Oder wollen wir heute einen kleinen Gruß des Konditors zum Nachtisch verputzen? Einen dieser cremigen Cupcakes?
»Du siehst super aus!« sagt Thea. »Mindestens... fünf Jahre jünger! Du strahlst richtig!«
Paula hört es gerne und strahlt noch mehr. Sie nippt an ihrem Cappuccino und badet die Zunge in der bittersüßen Köstlichkeit.
»Mir geht’s auch prima«, bestätigt sie.
Noch. Nach einer Stunde nämlich ist die Mittagspause vorbei. Die beiden Frauen verabschieden sich, Küsschen links, Küsschen rechts. Paula überquert die Straße und während sie das tut, packt sie eine harte Hand von hinten und steckt ihr einen Knebel in den Mund. Constanze, die sich von dem ihren befreit hat. Constanze, die den Aufzug links liegen lässt, wieder stinksauer ist – und völlig außer Puste, als sie die Redaktionsräume betritt. Sie geht an Ellas Schreibtisch vorbei, dessen Besitzerin ihre Mittagspause damit verbracht hat, zwei Puddingstückchen, einen besonders widerwärtigen Schokoklops sowie zwei Nougat-Marzipan-Hörnchen auf den Weg der Verdauung zu schicken.
»Reiß dich zusammen!« zischt Constanze der Freundin zu. »So schwere Knochen hast selbst du nicht, dass damit 80 Kilo zu erklären wären!«
»82«, schluchzt Ella und greift abermals in die Bäckertüte.
»Frag den Hausmeister, ob er dir einen stabileren Stuhl besorgen kann. Sonst gibt es hier in den nächsten Tagen eine Katastrophe.«
Wieder an ihrem Schreibtisch, überlegt sich Constanze die nächste Gemeinheit. Die Spinat-Sauerkraut-Diät! Auf der Stelle wird es Constanze übel. Oder doch Paula? Egal. Spinat: igitt. Sauerkraut: igitt. Spinat-Sauerkraut: herrlich! Schön durchmischt, von Ludwig ansprechend fotografiert, im Hintergrund eine süße kleine Katze, die sich übergibt. Äh, nein, die neidisch auf die Pracht schaut und denkt: Und ich muss wieder den Rest vom Fisch runterwürgen.
So vergeht der Arbeitstag. Feierabend. Ella ist bereits gegangen, wahrscheinlich in die Bäckerei, um ihre Tüte neu befüllen zu lassen. Constanze verlässt das Haus – sie stellt den linken Fuß auf die erste Treppenstufe, da geschieht es schon wieder. Paula hat sich angeschlichen und stopft Constanze den Knebel zwischen die Zähne. Dann nimmt Paula ihren Fuß von der Stufe, dreht sich um und geht zum
Weitere Kostenlose Bücher