Die Verschwörung der fetten Frauen (German Edition)
Dann hole ich dich ab, mach dir was zu essen, dann müssen wir mal über deinen letzten Englischaufsatz reden – das geht besser, mein Liebling! - wir machen das Geschirr zusammen, dann mach ich mich fertig, spätestens um elf bin ich wieder daheim, da schläfst du ja schon und...«
»Hallo? Wie fertig? Wie spätestens um elf? Du gehst weg? Du isst nicht mit mir zu Abend oder wie soll ich das verstehen?«
Sie hat es gemerkt. Meine Tochter ist schlau, sie sieht mir an der Nasenspitze an, dass etwas nicht stimmt.
»Ja. Ich gehe... aus. Essen. Grieche. Was dagegen?«
»Er?«
»Wer?«
»Sag's oder ich nehm dir das Nutella weg.«
Kinder sind schreckliche Erzieher ihrer Eltern. Also kapituliere ich und nicke.
»Ist aber nur ein Arbeitsessen. Wir müssen einiges besprechen und du weißt ja, wie das ist. Im Büro ist immer alles so hektisch, man hat keine Zeit und das mit den sozialen Medien ist...«
»Hör auf«, sagt Alina nur knapp. »Keine Ausflüchte, das ist nur peinlich. Außerdem weiß ich genau, wie das ist. Ihr wollt mal allein sein, ist doch okay. Hauptsache, keiner von den Heiratsschwindlern aus dem Internet.«
Stimmt auch wieder.
»Wenn du heute Nacht bei ihm schläfst, sagst mir aber bis elf Bescheid, damit ich meinen Wecker eine Stunde später stellen kann.«
Ich verspreche es hoch und heilig.
Langsam werde ich wach. Was ist gestern Nacht passiert? Ich habe etwas geschrieben. Völligen Unsinn, irgend so ein Manifest. Puh! Gott sei Dank habe ich es nicht gleich an Thea geschickt, damit sie es auf die Webseite knallen kann. Oder? Ich habe es doch nicht etwa an Thea geschickt?
Panik. Schnell den Rechner hochfahren, das Mailprogramm öffnen. Nur das Übliche. Ich habe in der spanischen Emaillotterie zum fünfzehnten Mal in diesem Jahr 800.000 Euro gewonnen, ein Herr aus Kenia möchte mich gerne kennenlernen, weil sein Onkel verstorben ist und ein Konto hat, an das der Herr ohne mich nicht rankommt, Viagra gibt es jetzt auch in der preisgünstigen Familienpackung und Thea bedankt sich überschwänglich für »dein geiles Manifest, liebste Sabine! Wir müssen uns unbedingt mal kennenlernen! Ruf mich an, ja?«
Paula, das kann nicht gut enden. Paula, du steuerst auf eine Katastrophe zu. Lass Sabine Müller sterben! Sie steht dir im Weg!
In der Redaktion steht mir zuerst einmal die Hungerbühler im Weg. Sie balanciert auf verboten hohen Absätzen über den Flur, mit einem Berg Papier beladen, der gleich unweigerlich einstürzen und auf dem Teppichboden landen wird.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Sie schaut mich dankbar an und drückt mir das Papier in die Arme. »Danke! Ich komme aus dem Archiv, wir planen eine große Serie Die Prinzessinnen und ihre Babys , angefangen bei Prinzessin Amalie von Dünkirchen im Jahr 1379. Wird bestimmt ein Knaller!«
Ja, befürchte ich auch. Und wieso tue ich der Kuh plötzlich einen Gefallen? Ich sag's ja: Katastrophen.
Bumm, bumm!
»Wow!«
Sie lügt. Alina lügt ihre Mutter an. Das ist nicht »wow!«, das ist höchstens »na ja«. Das festliche blaue Kleid, vor Jahren gekauft, falls einmal »gesellschaftliche Anlässe« anstehen sollten. Erst einmal getragen, als Alina konfirmiert wurde und mir Tante Hilde irrtümlich einen Klecks Bratensoße auf den Schoß gelöffelt hat. Wenigstens das Makeup scheint einigermaßen gelungen, Geisterbahnbesitzer werden mich nicht vom Fleck weg engagieren.
»Nein echt: wow!« Okay, ich kann gar nicht genug Wows hören, selbst wenn sie erlogen sind. Meine Hände fühlen sich feucht an, als säße ich gerade auf einem Zahnarztstuhl. »Und wie verbringt Mademoiselle ihren freien Abend?« frage ich, um mich abzulenken.
»Fernsehen, Englisch lernen, mit Verena telefonieren, bisschen am Rechner zocken, Fußnägel lackieren und warten, bis du anrufst, um mir zu sagen, dass du anderswo übernachtest. Was ich sonst noch so mache, weiß ich nicht.«
Was ich gleich mache, weiß ich genau: ausflippen. Könnte ich den ganzen Tag schon. Rasmus hat sich im Büro nicht blicken lassen, ich habe Leserinnenpost beantwortet, mir ein Brötchen beim Bäcker gekauft, weil ich Thea nicht im Café Meier begegnen wollte. Und jetzt sitze ich hier wie eine Unterprimanerin vor dem ersten Date, renne alle drei Minuten ins Bad und überprüfe, ob mein Makeup noch hält oder die Stresspickel schon durchkommen. »Bleib cool, Mum«, beruhigt mich Alina, »wenn du das jetzt öfter machst, gewöhnst dich wieder dran.«
Halb sieben. Es hilft nichts, ich muss los.
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