Die Verschwörung der fetten Frauen (German Edition)
vorbeigehe.
»Oh?« echoe ich zurück.
»Na ja...«
Mein Gott, was für ein Gespräch wird das denn wieder? Und wer steht in meinem Kabäuschen und sieht jetzt auch zu mir her? Rasmus. Schön. Und Milkers. Weniger schön. Was wollen die in meinem Büro?
»Aha, da ist ja unser Stein des Anstoßes«, sagt Milkers und versucht dabei witzig zu sein. Es geht, wie nicht anders zu erwarten, krachend schief. Rasmus schaut weg, die Sache ist ihm peinlich. Aber – welche Sache eigentlich?
»Waren Sie heute Morgen schon auf unserer Facebookseite?« fragt Milkers. Ich antworte nicht. Ziehe in aller Ruhe meine Jacke aus, hänge sie an den Haken (als Redakteurin genieße ich das Privileg eines eigenen Hakens), dränge mich zwischen dem noch immer schweigenden Rasmus und dem leider immer noch redenden Milkers hindurch an meinen Schreibtisch, setze mich, fahre den Rechner hoch.
»Nein«, sage ich dann, »ich habe es mir Gott sei Dank nicht angewöhnt, schon am frühen Morgen ins Internet zu gehen.«
»Dann werden Sie gleich eine Überraschung erleben«, kündigt Milkers an. Wenn er sich jetzt über meine Schulter beugt, knalle ich ihm die in die Visage. Ich bin sauer. Auf ihn, auf Rasmus, der wie ein verlegener Pennäler danebensteht, auf mich, auf alle Welt, auf Facebook.
Facebook. Unsere Seite. Ich beginne zu lesen. Ich erbleiche. Mir wird schlecht. Ich werde gleich ohnmächtig. Ich stürze mich gleich schreiend aus dem Fenster.
Begonnen hat alles mit einem Link, den »eine Freundin« von uns gepostet hat. Das war um 18 Uhr 49. »Schaut mal da, CC bekommt eine auf die Mütze!« Ich brauche die Seite gar nicht aufzurufen, die sich hinter dem Link verbirgt. Es ist die Seite der fetten Frauen, es ist Sabine Müllers Frontalangriff auf Constanze Corzelli.
Innerhalb der nächsten drei Stunden sind genau 304 Kommentare eingetrudelt. Ich überfliege sie angewidert. Die meisten sind zustimmend, »diese Frau Müller hat doch Recht! Das lassen wir uns nicht mehr bieten! Dieser ganze Diäthorror! Nieder mit CC!« Bis jetzt sind es knapp 800 Kommentare, der Artikel wurde vielmals »geteilt«, das heißt auf anderen Seiten dürften weitere Heerscharen von Kommentatorinnen über Constanze Corezelli herfallen und Sabine Müller in den Himmel heben.
»Das nennt man einen Shitstorm!« presst Milkers hinter mir das böse Wort aus sich heraus. Wahrscheinlich hat ihm Rasmus vor fünf Minuten erst erklären müssen, was das Wort bedeutet. Dass man gemobbt wird. Dass sie jemanden im Internet fertigmachen. Jemanden? Constanze Corzelli. Mich.
»Na ja«, versucht Rasmus die Sache abzumildern. Schön, dass er die Sprache nicht ganz verloren hat. Ich würde ihn dennoch keines Blickes.
»Sagen wir es mal so: Für uns kann es gar nicht besser laufen! Constanze Corzellis Blog habe ich schon eingerichtet, sie kann also sofort reagieren.«
Constanze Corzelli? Er meint mich ! Warum sagt er das dann nicht? Existiert Paula Pfaff nur als nette Ergänzung für Restaurantbesuche?
Milkers lässt ein »Hm, hm« hören. Und sagt dann: »So kann man das auch sehen. Wer ist eigentlich diese Sabine Müller? Ist die von der Konkurrenz? Bestimmt! Und was für einen Unsinn die schreibt! Stilistisch völlig dilettantisch, so eine würde ich sofort bei uns rausschmeißen!«
Hallo? Stilistisch völlig dilettantisch? Ich sauge empört sämtliche Luft der Umgebung ein und will etwas erwidern, fange mich aber und sage: »Das ist wohl nur eine fette Lady, die gerade die fünfzigste Diät abgebrochen hat.«
»Prima!« begeistert sich Milkers. »Notieren Sie sich das! Setzen Sie sich gleich an die Replik! Herr Borcherts wird Ihnen das mit dem Blog erklären, das geht ja total fix, was man so hört. Machen Sie die Frau fertig! Zeigen Sie, was für eine blendende Stilistin Sie sind! Bringen Sie Argumente!«
Beschwingt verlässt er uns, Rasmus und ich bleiben alleine zurück. Wir schweigen. Wir sehen uns nicht an. Wir starren auf den Bildschirm.
»Okay«, sagt Rasmus endlich. »Dann erkläre ich dir jetzt das mit dem Blog.«
Gegenangriff
Constanze Corzelli ist jetzt bei Facebook und besitzt ein Blog. Es heißt »CC – mein Gesundheitstagebuch«, der Name stammt von Milkers, dessen Kreativität der einer Weinbergschnecke in nichts nachsteht. So. Und jetzt soll Constanze Corzelli etwas schreiben. Bitteschön, hab nichts dagegen. Bis mir einfällt, dass Paula Pfaff Constanze Corzelli ist und ich Paula Pfaff bin. Unter anderem.
Rasmus ist weggegangen, um Kaffee zu
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