Die Verschwoerung der Fuersten
aufmacht, werden wir nie erfahren, wer ihm den Hals umgedreht hat.«
»Ich weiß nicht recht. Irgendetwas stimmt da nicht.«
»Das verstehe ich nicht. Es kommt doch oft vor, dass eine Prügelei unter Trunkenbolden ausartet und dabei dann ein armes Schwein zu Tode kommt. Wenn jemand den Streit beobachtet hat, dann findet Ihr den Täter leicht. Und wenn nicht« – Prosperius zuckte mit den Schultern -, »dann eben nicht.«
Der Burggraf ignorierte den Einwand. »Als ich mir die Leiche heute früh angeschaut habe, war der Körper noch steif. Das heißt, er muss irgendwann gestern Abend gestorben sein. Allzu spät wird es nicht gewesen sein, denn sonst wäre der Körper noch nicht hart gewesen«, grübelte er laut. »Der Gerber lag über seiner Grube zwischen einem Stapel mit Häuten und einem vollen Wasserkübel. Hätte es einen Kampf gegeben, dann wäre eines von beiden sicher umgefallen. Und Schleifspuren habe ich auch keine gesehen. Das bedeutet, der Mord hat dort stattgefunden, wo auch die Leiche war. Für mich sieht das so aus, als wäre der Gerber überrascht worden.«
»Und wenn man nun die Leiche zu den Gerbgruben getragen hätte?«, wandte Prosperius ein.
»Möglich wäre es, aber wozu?« Er seufzte. »Wenn ich doch bloß wüsste, wann der Gerber gestorben ist.«
Prosperius fiel offenbar keine Antwort dazu ein.
»Zudem hatte der Gerber außer den Würgemalen am Hals keine anderen Verletzungen«, führte Bandolf weiter aus. »Schnorr scheint sich nicht gewehrt zu haben. Auch das sieht mir nicht danach aus, als hätte es einen Streit oder einen Kampf gegeben.«
»Aber Schnorrs Gesicht war voller Blasen und verschrumpelt, nachdem er in der Gerbbrühe gelegen hat. Hättet Ihr da die Schläge überhaupt erkennen können?«
»Womöglich nicht«, gab Bandolf zu. »Aber wieso sollte Schnorr einen Streit mit seinem Zechkumpanen ausgerechnet
bei seiner Grube austragen? Was hat der Gerber denn dort gewollt? Und mit wem ist er dort gewesen?« Er schüttelte den Kopf. »Nein«, erklärte er bestimmt. »An dieser Sache ist etwas faul, das weiß ich bestimmt.«
Hinter seinem Haus und den Nachbarhäusern hatten sich bereits die Ärmsten der Stadt versammelt. Es war Brauch, dass sie vom Festtagsmahl alles bekamen, was übrigblieb. Nichts durfte von den Resten im Haus bleiben, denn das würde Unglück bringen für jeden, der zu Michaeli geizte.
Bratenduft begrüßte Bandolf, als er mit Prosperius ins Haus trat. Aus Stall und Scheune ertönte Gesang und Gelächter. Matthäa hatte dafür gesorgt, dass für die Haus- und Dienstleute des Burggrafen ebenso wie für die Herrschaft ein Festmahl auf den Tisch kam. Schüsseln mit Eierspeisen und fetten Soßen, weißes Brot, gewürzt mit Knoblauch und Zwiebeln, Platten mit gekochtem Barsch und eingelegten Turteltäubchen, Süßspeisen mit Mandeln und Honig und als Krönung der gebratene Pfau wurden nacheinander aufgetragen und mit Bier und Wein heruntergespült. Matthäa trug ihr Festtagskleid aus blauem Barchent über einem Unterkleid mit fein bestickter Borte, das am Hals mit einer silbernen Fibel zusammengehalten wurde. Ihr wundervolles Haar hatte sie mit einer Spange zurückgesteckt. Die syrischen Granate, mit denen Spange und Fibel besetzt waren, funkelten wie ihre Augen, und das Perlmutt an ihrem Gürtel, der sich um ihre Hüften schmiegte, schimmerte im Licht so weich wie ihre Wangen. Stolz und glücklich betrachtete Bandolf seine hübsche Frau und dachte bei sich, dass vielleicht heute die Nacht der Nächte wäre, und bald würde auch in seinem Haus Kindergeschrei zu hören sein.
Je länger das Festmahl dauerte, umso zufriedener strahlte er in die Runde. Er fand, dass er es für den Sohn eines
kleinen Vogts, der erst am Ende seines Lebens die Freiheit erlangt hatte, weit gebracht hatte. Erst in der Nacht, als das reichhaltige Festmahl in seinem Magen rumorte und der Wein ihn in einen schweren Schlummer fallen ließ, huschten der tote Gerber und Adalbert von Bremen wieder durch seine Träume.
KAPITEL 5
»… und deshalb hat der König entschieden, im nächsten Jahr keine Romfahrt zu unternehmen. Heinrichs Krönung zum Kaiser wird warten müssen.«
Der Tonfall Adalberts von Bremen machte deutlich, dass der Beschluss unumstößlich war und er keine Erwiderung darauf erwartete. Der Erzbischof neigte den Kopf, sprach einen kurzen Segen und erhob sich. Dies war das Zeichen, die Morgentafel aufzuheben, zu der sich die Großen des Reiches nach der Frühmesse versammelt
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