Die Verschwoerung der Fuersten
ums Herz sein, glaubt mir. Es findet sich für alles ein Ausweg, und
Ihr werdet nicht länger allein …« Ihre beruhigende Stimme verklang.
Rainald hatte sich nicht gerührt. Schweigend sah er den beiden Frauen hinterher. Als sie hinter der Pforte der Kirchhofsmauer verschwunden waren, räusperte sich Bandolf.
»Es ist an der Zeit, dass Ihr mir die Wahrheit sagt. Hier habe ich den Stofffetzen aus dem Kopftuch Eurer Schwester. Und ich habe das Wort von Ludgers Witwe. Sie hat Hermia in der Mordnacht kurz vor der Komplet in Mantel und Kopftuch im Hof gesehen. Außerdem wurde Eure Schwester gesehen, als sie einige Zeit später den Pfalzhof überquerte.« Er holte tief Luft. »Und ich weiß, dass Hermia ein Kind unter ihrem Herzen trägt.«
»Die Heilerin! Verflucht soll sie sein«, stieß Rainald zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
»Lasst die Heilerin aus dem Spiel«, knurrte Bandolf, ohne nachzudenken. »Ihr selbst habt sie da hineingezogen, und Ihr könnt von Glück reden, dass Ihr an ein Weib geraten seid, das ebenso viel Verstand wie Herz hat und weiß, was sie tut.«
»Was untersteht Ihr Euch?«, gab Rainald zurück, doch seine Worte kamen lahm über seine Lippen.
Bandolf bedachte den Dachenroder mit einem scharfen Blick. Er spürte, dass er den jungen Mann am Haken hatte, und stieß nach: »Und nicht genug damit. Ihr selbst seid in jener Nacht ebenfalls auf dem Pfalzhof gesehen worden, kurz nachdem Eure Schwester den Kirchhof verlassen hatte. Ihr mögt bei Eurer Kebse gewesen sein, doch was ist dann passiert? Habt Ihr Ludger von Blochen umgebracht? Oder war es Eure Schwester?«
Rainald antwortete nicht. Er kaute auf seiner Unterlippe und sah sich um, als wollte er sich vergewissern, dass sie ungestört seien und niemand seinen Worten lauschen würde. Doch außer Pater Emeram, der in einiger Entfernung vor
seiner Kapelle auf einen buckligen alten Dombruder einredete, schien sich niemand mehr auf dem Kirchhof aufzuhalten. Rainald holte tief Luft, verankerte seine Daumen in seinem Schwertgürtel, und der hochmütige Ausdruck, den er sonst stets zur Schau trug, hatte einer finsteren Miene Platz gemacht.
»Als ich an jenem Abend das Haus verließ, war Ludger noch in der Halle«, begann er endlich zu sprechen. »Ich wollte zu meiner Kebse, also passte ich einen günstigen Moment ab, um ungesehen über den Hof zu kommen.« Ein freudloses Lachen entfuhr ihm. »Man wähnte mich auf meiner Kammer, und ich wollte unliebsamen Fragen aus dem Weg gehen.«
Bandolf nickte, und Rainald fuhr fort: »Ich nahm die Abkürzung über den Kirchhof zur Andreasgasse.«
»Habt Ihr auf dem Kirchhof jemanden gesehen?«, unterbrach ihn der Burggraf.
»Gegenüber der Kapelle waren wohl ein paar Zecher, aber Genaueres habe ich nicht gesehen. Es war schon dunkel, und ich hatte nur meine Laterne«, antwortete Rainald. »Nach der Komplet verließ ich Gundela und nahm denselben Weg zurück über den Kirchhof.« Er stockte, schloss für einen Moment die Augen und fuhr sich mit einer fahrigen Bewegung durch sein bereits schütteres Haar. »Als ich bei der Kapelle angekommen war, sah ich plötzlich eine kleine Gestalt über die Kirchhofmauer auf den Pfalzhof klettern. Sie stellte ihre Lampe auf dem Mauerabsatz ab, um besser klettern zu können, und dabei erkannte ich Hermias Gesicht im Schein der Laterne. Meine Schwester! Zu dieser Stunde an einem solchen Ort!«, stieß er zwischen den Zähnen hervor.
»Und was tatet Ihr?«
»Was werde ich wohl getan haben?«, gab Rainald bissig zurück. »Ich folgte ihr natürlich. Ich wollte wissen, was sie
um diese Zeit auf dem Kirchhof zu suchen gehabt hatte. Bis ich ebenfalls über die Mauer geklettert war, hatte sie aber schon die Diebsgasse erreicht, und ich holte sie erst hinter St. Stephan ein.«
»Wen habt Ihr noch gesehen, als Ihr beim Rückweg von Eurer Kebse über den Kirchhof gegangen seid?«, wollte Bandolf wissen.
»Niemanden.«
»Niemanden?«, fragte Bandolf erstaunt. »Auch nicht Ludger?«
»Nein, auch nicht Ludger. Die Zecher waren fort, und sonst schien keiner mehr auf dem Friedhof zu sein.«
»Und als Ihr den Pfalzhof überquert habt, seid Ihr da dem Kämmerer Pothinus begegnet?«
»Nicht dass ich wüsste. Aber wie ich schon sagte, es war dunkel.«
Bandolf nickte. »Fahrt fort. Was geschah dann?« »Hinter St. Stephan holte ich Hermia ein«, wiederholte Rainald. »Ich war natürlich aufgebracht. Wütend, meine Schwester um diese Stunde in den Gassen herumschleichen zu
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