Die Verschwörung des Bösen
für einige Stunden in den Hathor-Tempel gegangen, um dort die Riten zu feiern, angesichts der Dringlichkeit ihres Auftrags war ihr das aber nicht gestattet.
Memphis kam ihr gewaltig groß und bunt vor, mit all seinen Speichern und Lagerhäusern, den Geschäften und Märkten, den stattlichen Anwesen neben bescheidenen kleinen Häusern, und besonders mit seinen beeindruckenden öffentlichen Gebäuden, allen voran die Tempel von Ptah, Sechmet der Mächtigen und Hathor, der Sykomoren-Dame des Südens. Nicht weit von der alten Festung mit ihren weißen Mauern und dem Heiligtum von Neith, dessen sieben Worte das Universum erschaffen haben, lag das betriebsame Verwaltungsviertel, wo Schreiber eilig von einem Auftrag zum nächsten liefen. Hier, fernab vom Mittelpunkt des Osiris-Kults, wurden alle wichtigen Entscheidungen für das gesamte Königreich gefällt. Der Wesir hatte sich in einem neu gebauten Flügel des königlichen Palastes eingerichtet. Nachdem die Priesterin zwei Wachposten passiert und neugierige Fragen beantwortet hatte, ließ man sie in einem Vorzimmer warten, in dem es angenehm kühl war.
Nach wenigen Minuten erschien ein Sekretär und brachte sie in ein großes Arbeitszimmer mit drei weit geöffneten Fenstern, durch die man in einen Garten blicken konnte, in dem sich Tamarisken und Sykomoren gegenseitig an Schönheit übertrafen.
Zwei kleine rundliche Hundedamen und ein sehr lebhaftes Männchen kamen ohne Gebell angelaufen, um sie zu begrüßen. Sie streichelte die Hunde abwechselnd, bis der stattliche Chnum-Hotep erschien.
»Bitte entschuldigt, ich weiß, sie sind unerträglich!«
»Nein, überhaupt nicht, ich finde sie sehr gastfreundlich.«
»Ich bin der Wesir von Pharao Sesostris. Könnt Ihr mir den Befehl für Euren Auftrag zeigen?«
Die junge Frau reichte Chnum-Hotep die hölzerne Schrifttafel, die der Kahle verfasst und mit seinem Siegel versehen hatte. Darauf bat er für die Überbringerin der Botschaft um eine Unterredung mit dem König.
»Was habt Ihr dem König zu sagen?«
»Es tut mir außerordentlich Leid, aber ich darf es nur ihm allein sagen.«
»Ihr seid anscheinend sehr charakterfest, aber vermutlich wisst Ihr nicht, dass ich der Erste Minister Seiner Majestät bin und den vertraulichen Auftrag habe, ihm so viele Sorgen wie irgend möglich abzunehmen.«
»Ich achte Eure Stellung, doch bitte versteht auch meine Lage.«
»Mir scheint, ich kann Euch nicht dazu bringen, Eure Meinung zu ändern. Dann bringt Euch jetzt mein Sekretär in den königlichen Palast.«
Die Priesterin folgte dem Führer. Kaum hatte sie den Palast betreten, brachte man sie zum nächsten Wachmann, der umgehend seinen Vorgesetzten von dem Besuch unterrichtete. Sobek fuhr jedoch gewohnt rüde dazwischen: »Niemand betritt das Unterredungszimmer, ohne mir vorher den genauen Grund seines Besuchs genannt zu haben.«
»Ich komme aus Abydos«, antwortete sie, »mein Herr hat mich mit einer äußerst wichtigen Botschaft zum Pharao geschickt.«
»Wie lautet diese Botschaft?«
»Sie ist ausschließlich für den König bestimmt.«
»Wenn Ihr weiter schweigt, werdet Ihr Seine Majestät nicht zu Gesicht bekommen.«
»Bei dem, was ich ihm anzuvertrauen habe, geht es um die Zukunft unseres Landes. Ich fordere Euch also auf, mich nicht weiter zu behindern.«
»Das widerspricht meinen Anordnungen.«
»Es tut mir sehr Leid, aber dann muss ich Euch zu einer Ausnahme zwingen.«
»Eine meiner Helferinnen wird Euch einer
Leibesuntersuchung unterziehen.«
Die Priesterin ließ die Untersuchung ohne mit der Wimper zu zucken über sich ergehen. Danach wurde sie in einen anderen Raum mit zwei bewaffneten Wachen gebracht und musste wieder warten.
Auf dem Weg von einem Arbeitszimmer zum nächsten kam Medes durch dieses Wartezimmer, das Leuten vorbehalten war, die eine Unterredung beim König wollten, und sah die junge Frau. Irritiert nahm er sich vor, der Sache nachzugehen. Die Frau gehörte nicht zum Hofstaat von Memphis, und er hatte sie noch nie zuvor im Palast gesehen. Woher kam diese überwältigend schöne Unbekannte, und warum war der Pharao bereit, sie zu empfangen?
»Majestät«, begann Sobek mit ernster Miene, »die Priesterin gibt nicht nach. Weder dem Wesir noch mir will sie den Inhalt ihrer Botschaft offenbaren. Selbst eine erniedrigende Leibesvisitation konnte sie nicht umstimmen. Ich glaube, sie ist eine sehr zuverlässige und vollkommen treue Person.«
»Bring sie herein und lass uns dann allein.«
Die
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