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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Donaldson.« Er wandte sich ab. »Danke, ich habe keine weiteren Fragen.«
    Gleave erhob sich, kam dann aber wohl zu dem Ergebnis, dass er die Situation nicht retten konnte, und setzte sich wieder.
    Donaldson verließ den Zeugenstand mit nach wie vor gerötetem Gesicht und hängenden Schultern. Er sah nicht zu Pitt hinüber, während er dem Ausgang entgegenstrebte.
    Gleave rief seinen nächsten Zeugen auf. Dessen Meinung von Pitt war nicht besser als die Donaldsons, allerdings aus anderen Gründen. Seine Abneigung hing mit einem Fall zusammen, in dem einer seiner Freunde lange unter Verdacht gestanden hatte, bis sich schließlich ziemlich spät seine Schuldlosigkeit herausgestellt hatte. In diesem Fall hatte Pitt nicht besonders umsichtig und überlegt gearbeitet. Diesen Zeugen konnte Juster nicht so ohne weiteres aus der Fassung bringen.
    Die Aussagen eines dritten Zeugen schilderten Pitt als eingebildet und befangen. Er ließ kein gutes Haar an dem, was Pitt in früheren Jahren geleistet hatte.
    »Er ist also Sohn eines Wildhüters, sagten Sie?«, fragte Gleave mit betont neutraler Stimme.
    Pitt erstarrte. Er erinnerte sich an Gerald Slaley und wusste, was ihm bevorstand, hatte aber keine Möglichkeit, es zu verhindern. Er musste einfach sitzen bleiben und es über sich ergehen lassen.
    »So ist es. Man hat seinen Vater wegen Diebstahls deportiert«, erläuterte Slaley. »Wenn Sie mich fragen, war Pitt von Anfang an gegen uns Gutsbesitzer voreingenommen. Er hat es auf uns abgesehen und geradezu einen Kreuzzug gegen uns geführt. Sie brauchen sich nur seine Fälle anzusehen, dann merken Sie das selbst. Deswegen haben ihn die Leute, die ihn in das Amt gehievt haben, überhaupt groß werden lassen: Er sollte gegen die Besitzenden und Mächtigen vorgehen … immer dann, wenn sie das für angebracht hielten. Und er hat sie kein einziges Mal enttäuscht.«
    »Aha.« Gleave nickte zustimmend. »Auch ich habe mir Mr. Pitts Werdegang angesehen.« Er sah zu Juster und dann wieder auf Slaley. »Dabei ist mir in der Tat aufgefallen, wie häufig es in seinen Fällen gegen Prominente geht. Sofern mein verehrter Kollege das nicht glauben will, bin ich gern bereit, sie zu nennen.«
    Juster schüttelte den Kopf. Er dachte nicht daran, es dahin kommen zu lassen. Zu viele dieser Fälle waren in der Öffentlichkeit bekannt geworden, und es war durchaus möglich, dass sich Geschworene dadurch gegen Pitt einnehmen ließen. Man wusste nie, mit wem sie befreundet waren oder wem ihre Bewunderung galt.
    Gleave war zufrieden. Er hatte Pitt als ehrgeizig und verantwortungslos hingestellt, als jemanden, der sein Tun nicht auf Anstand gründete, sondern auf Verbitterung und Rachsucht dafür, dass man seinen Vater wegen eines Verbrechens verurteilt hatte, schuldlos, wie Pitt nach wie vor überzeugt war. Diesen Punkt konnte Juster nicht aus der Welt schaffen.
    Der Vertreter der Anklage trug sein Schlusswort vor.
    Der Verteidiger kam als Letzter noch einmal zu Wort und rief in seinem Plädoyer den Geschworenen erneut ins Gedächtnis, dass lediglich Pitts Aussagen auf eine Schuld des Angeklagten hinwiesen, »und nichts darüber hinaus«.
    Die Geschworenen zogen sich zur Beratung zurück.
    An jenem Abend kamen sie zu keiner Einigung.
    Am nächsten Tag kehrten sie schließlich vier Minuten vor Mittag aus dem Beratungszimmer zurück.
    »Sind Sie zu einer Entscheidung gelangt?«, fragte der Richter ernst.
    »Ja, my Lord«, erklärte der Obmann. Er hielt den Kopf hoch erhoben, sah aber weder zu Gleave hinüber, der zuversichtlich lächelte, noch zur Anklagebank oder zu Juster, der unbeweglich dastand und den Kopf mit dem schwarzen Haar leicht geneigt hielt.
    »Und ist diese Entscheidung einstimmig gefallen?«, fragte der Richter.
    »Ja, my Lord.«
    »Befinden Sie den Angeklagten John Adinett des Mordes an Martin Fetters für schuldig oder nicht schuldig?«
    »Schuldig, my Lord.«
    Justers Kopf ruckte hoch.
    Gleave entfuhr ein Wutschrei. Fast wäre er aufgesprungen.
    Adinett saß versteinert da, als verstehe er nicht, was da vor sich ging.
    Fassungslosigkeit breitete sich unter den Zuhörern aus, und Journalisten eilten den Ausgängen entgegen, um ihren Redaktionen zu berichten, dass das Unglaubliche geschehen war.
    »Wir werden Berufung einlegen«, übertönte Gleaves Stimme das allgemeine Durcheinander.
    Der Richter gebot Ruhe. Als endlich eine schreckliche Stille eintrat, ließ er vom Gerichtsdiener das schwarze Barett holen, das er aufsetzte, bevor

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