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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Blick nach wie vor abgewandt. »So war Martin nicht. Ich habe ihn gut gekannt.« Sie stieß ein kurzes Lachen aus. »Zumindest in manchen Dingen, denn
bestimmte Wesensmerkmale kann man nicht verbergen. Martin hat immer alles getan, um seine Träume in die Wirklichkeit umzusetzen. Er war zwar ein Romantiker, aber sogar, wenn es um etwas so Banales ging wie seine Absicht, mir zum Geburtstag Rosen zu schenken, hat er nicht locker gelassen, bis er seinen Willen bekam.«
    Inzwischen hatten sie die Tür erreicht, und Juno öffnete sie.
    Rosen zum Geburtstag schienen Charlotte kein besonders bemerkenswertes Geschenk. Sie fragte sich, warum Juno das angesprochen hatte.
    »Und er hat ihn bekommen?«
    »Aber ja. Er hat allerdings vier Jahre dazu gebraucht.«
    Charlotte war verblüfft. »Rosen sind doch problemlos. Ich hatte sogar noch zu Weihnachten welche im Garten.«
    Juno lächelte fast unter Tränen. »Mein Geburtstag ist der 29. Februar. Wer um diese Jahreszeit Rosen auftreiben will, muss schon sehr findig sein. Er hat darauf bestanden, dass ich nur alle vier Jahre feierte, mir dafür aber jeweils eine Geburtstagsgesellschaft ausgerichtet, die vier volle Tage dauerte, und mich maßlos verwöhnt. Er war ausgesprochen großzügig.«
    Mit einem Mal hatte Charlotte einen Kloß in der Kehle. »Und woher hatte er die Rosen?«, fragte sie mit belegter Stimme.
    Juno schluckte und lächelte unter Tränen. »Er hat einen Gärtner in Spanien gefunden, der sie zur richtigen Zeit gezogen und mit dem Schiff hergeschickt hat. Sie haben zwar nur zwei Tage gehalten, aber ich habe das nie vergessen.«
    »Das würde wohl keine Frau«, stimmte ihr Charlotte zu.
    »Wir haben uns alle Bücher angesehen, die infrage kommen«, kehrte Juno zum Gegenstand ihrer Suche zurück und schloss die Tür zur Bibliothek hinter sich. »Es war wohl von vornherein ein törichter Gedanke. Ich hätte es besser wissen sollen. Martin liebte Bücher. Nie und nimmer hätte er mutwillig eines beschädigt, nicht einmal, um etwas darin zu verstecken, sondern mit Sicherheit eine andere Möglichkeit gefunden. Er hat Bücher sogar selbst repariert. Das konnte er sehr gut. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er mit einem beschädigten Buch in den Händen dastand und mir einen Vortrag darüber
hielt, wie unzivilisiert es sei, Bücher schlecht zu behandeln, etwas hineinzuschreiben, Seiten einzureißen oder ein Buch so weit zu öffnen, dass der Rücken bricht.«
    Auf dem Weg nach unten sahen sie ein Dienstmädchen im Vestibül, und Juno sagte: »Dora, servieren Sie bitte Tee im Gartenzimmer.«
    Erst jetzt merkte Charlotte, wie trocken ihr Mund war, als hätten all das Papier und der Staub sie ausgedörrt. Eine Tasse Tee konnten sie jetzt wirklich gut gebrauchen.
    »Manche hat er vollständig neu eingebunden«, fuhr Juno fort.
    »Eingebunden?«, fragte Charlotte rasch.
    »Ja, warum?«
    Charlotte blieb auf der untersten Stufe stehen.
    »Was haben Sie?«, erkundigte sich Juno.
    »Wir haben uns nicht die Bücher angesehen, die er eingebunden hat …«
    Juno begriff sofort. Ihre Augen öffneten sich weit. Sie rief dem Mädchen zu: »Dora! Warten Sie noch mit dem Tee. Ich sage Ihnen Bescheid!«, dann wandte sie sich Charlotte zu. »Kommen Sie! Wir gehen zurück und sehen sie uns an! Das wäre das ideale Versteck!«
    Sie eilten die Treppe empor, so rasch sie konnten, die Röcke gerafft, um nicht zu stolpern, zurück in die Bibliothek.
    Fast eine halbe Stunde mussten sie suchen, aber schließlich hatte Juno es gefunden: ein von Hand in unauffälliges Leder gebundenes schmales Buch, auf dessen Rücken Goldbuchstaben anzeigten, dass es darin um das Wirtschaftssystem Trojas ging.
    Nebeneinander stehend, lasen sie eine Seite, die sie willkürlich aufgeschlagen hatten.
     
    Natürlich hat man die Sache mit dem Darlehen sorgfältig eingefädelt. Die Einzelheiten werden in einem Brief stehen, den man bei seinem Tod findet. Sobald er bekannt gegeben ist, wird man dem Journalisten das letzte Beweisstück im Hinblick auf die Geschichte von Whitechapel zuspielen.
    Beides zusammen wird dann alles Notwendige bewirken.
     
    Juno sah Charlotte fragend an.
    Charlottes Gedanken überschlugen sich. Sie verstand zwar nur zum Teil, worum es ging, aber der Hinweis auf Remus sprang ihr förmlich aus dem Buch entgegen.
    »Er hat im Voraus vom Tod eines Menschen gewusst«, sagte Juno leise. »Das ist wohl ein Teil des Plans zum Sturz der Regierung?« In ihrer Stimme lag unüberhörbar die Bitte, Charlotte möge

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