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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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in dem Isaak seine Buchführung zu erledigen pflegte, seinem Wirt einige Shilling als Beitrag zur Unterstützung Samuels an. Er war hocherfreut, als Isaak das Geld annahm. Es bedeutete, dass er dazugehörte.
     
    Tellman sagte niemandem etwas über sein Interesse an John Adinett oder seine Unterhaltung mit dem Droschkenkutscher. Erst drei Tage später konnte er die Sache weiterverfolgen, denn Wetron hatte ihn eingehend über die Arbeit an seinem gegenwärtigen Fall befragt und einen genauen Nachweis für die
damit zugebrachte Zeit verlangt. Er hatte dem Vorgesetzten die gewünschten Auskünfte korrekt und ohne unnötige Freundlichkeit erteilt. Der Mann saß auf Pitts Stuhl, auf den er kein Anrecht hatte. Möglicherweise hatte er diese Position nicht angestrebt, aber das entschuldigte ihn in Tellmans Augen nicht. Er hatte ihm verboten, Kontakt zu Pitt aufzunehmen und sich weiter mit dem Fall Adinett zu beschäftigen. Das ging ihm gegen den Strich, und so sah er dem Mann mit stummer Auflehnung in das glatt rasierte Mondgesicht.
    Am späten Dienstagnachmittag hatte er wieder etwas Zeit für sich. Als Erstes kaufte er bei einem Straßenhändler ein Schinkenbrot und einen Becher frischen Pfefferminztee. Während er langsam in Richtung Oxford Street ging, überlegte er gründlich.
    Er war die Notizen, die er im Verlauf der Untersuchung gemacht hatte, noch einmal durchgegangen und hatte dabei festgestellt, dass es in Adinetts Tagesablauf gewisse Zeiträume gab, über die nichts bekannt war – bisweilen immerhin vier oder fünf Stunden. Damals war ihnen das nicht wichtig erschienen, weil ihr Ziel darin bestanden hatte, möglichst viele Einzelheiten zusammenzutragen und die Indizien zu erhärten. Festzustellen, wo sich Adinett jeweils aufgehalten hatte, gehörte nicht zu ihren Aufgaben.
    Tellman verlangsamte den Schritt. Er hatte keine Vorstellung, wohin er ging, ihm kam es darauf an, Pitt zu helfen und nicht mit leeren Händen vor Gracie dazustehen.
    Welchen Grund mochte ein Mann wie John Adinett gehabt haben, dreimal in die Cleveland Street zu fahren? Wer lebte dort? Frönte er möglicherweise irgendwelchen Perversionen, die Fetters auf die eine oder andere Weise entdeckt hatte?
    Noch während er sich die Frage stellte, verneinte er sie. Warum hätte so etwas Fetters überhaupt interessieren sollen? Wenn sein Tun nicht gegen die Gesetze verstieß, ging es niemanden etwas an, und möglicherweise nicht einmal dann.
    Aber vielleicht hatte Fetters etwas über Adinett in Erfahrung gebracht, was er keinesfalls wissen durfte, beispielsweise eine Straftat. Aber welche mochte das sein?
    Er ging etwas rascher. Vielleicht ließ sich die Antwort in der
Cleveland Street finden. Dieser Punkt war bisher als Einziger nicht aufgeklärt.
    In der Oxford Street bestieg er einen Pferde-Omnibus in Richtung Osten und stieg in Holborn um. Noch während er Spitalfields und Whitechapel entgegenfuhr, ging er die Frage immer wieder durch.
    Die Cleveland Street erwies sich als ganz gewöhnliche Straße: Wohnhäuser und Läden, alt und schmutzig, aber vergleichsweise achtbar. Wen mochte Adinett dreimal besucht haben?
    Tellman betrat das erste Geschäft. Es war eine Eisenwarenhandlung.
    »Was kann ich für Sie tun, Sir?« Ein müde wirkender Mann mit schütterem Haar hob den Blick von einem Kessel, den er flickte.
    Tellman kaufte einen Löffel, den er eigentlich nicht brauchte. »Meine Schwester überlegt, sich hier niederzulassen«, log er. »Ich hab ihr versprochen, mich mal umzusehen. Ist das hier eine ruhige Gegend?«
    Der Mann dachte einen Augenblick nach, den runden Metallflicken in der einen Hand, den Kessel in der anderen.
    Tellman wartete.
    Der Mann seufzte. »Früher war das hier ruhig«, sagte er betrübt. »Seit fünf oder sechs Jahren nicht mehr. Hat Ihre Schwester Kinder?«
    »Ja«, sagte Tellman rasch.
    »Dann sollte sie besser ein paar Straßen weiter suchen.« Er wies mit dem Kopf in die angegebene Richtung. »Vielleicht im Norden oder im Osten. Möglichst weit von der Brauerei und der Mile End Road weg. Da ist zu viel los.«
    Tellman zog die Stirn kraus. »Sie hatte an die Cleveland Street gedacht. Die Häuser sehen hier ganz ansprechend aus. Vermutlich kommen sie auch preislich hin. Aber Sie sagen, dass es hier unruhig ist?«
    »Jeder, wie er will«, zuckte der Mann die Achseln. »Ich wohn nu mal hier, aber ich würd jetzt nich hierher zieh’n.«
    Tellman beugte sich vor und fragte leise: »Heißt das, dass es hier Häuser mit

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