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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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schlechtem Ruf gibt?«
    Der Mann lachte. »Früher mal. Die sind jetzt weg. Warum?«
    »War nur so ein Gedanke.« Tellman tat einen Schritt zurück. »Und woher kommt dann der ganze Verkehr? Sie haben gesagt, dass in letzter Zeit hier viel los war.«
    »Was weiß ich«, schränkte der Mann seine frühere Auskunftsfreude ein. Er hatte es sich offenbar anders überlegt. »Vermutlich sind es einfach Besucher.«
    »Kutschen und so?« Tellman bemühte sich, unschuldig dreinzusehen.
    Das war ihm wohl nicht gelungen, denn er bekam keine weitere Auskunft. »Nich mehr wie woanders auch.« Der Mann wandte seine Aufmerksamkeit erneut dem Kessel zu und mied Tellmans Blick. »Inzwischen is es ruhiger. Vor ’ner Weile war hier ziemlich viel los. Vergessen Sie am besten, was ich gesagt hab. Soweit ich weiß, is hier im Augenblick sowieso nix zu verkaufen, aber wenn der Preis stimmt, sollten Sie ruhig zugreifen.«
    »Danke«, sagte Tellman höflich. Es hatte keinen Sinn, sich jemanden zum Feind zu machen. Er konnte nie wissen, ob er nicht noch einmal mit dem Mann würde sprechen wollen. Er verließ den Laden und ging langsam die Straße entlang, sah von einer Seite zur anderen und überlegte, was Adinett dort gesucht haben mochte und aus welchem Grund.
    Er sah mehrere Wohnhäuser, ein, zwei Läden, ein Maleratelier, einen kleinen Hof mit der Werkstatt eines Böttchers, einen Tonpfeifenmacher und einen Schuster. Es hätte eine beliebige von tausend Straßen in den ärmeren Vierteln Londons sein können. In der Luft lag der süßliche, abgestandene Geruch, der von der Brauerei herüberwehte.
    Am Ende der Straße, wo die Devonshire Street abging, blieb er stehen und kaufte bei einem Straßenhändler ein belegtes Brot.
    »Da hab ich aber Glück gehabt, dass Sie da sind«, knüpfte er ein Gespräch an. »Verkaufen Sie hier viel? Ich seh kaum jemand.«
    »Meistens hör ich unten an der Mile End Road auf«, gab der Händler zurück. »Ich bin auf dem Heimweg. Sie haben das Letzte erwischt.« Er lächelte und zeigte seine schadhaften Zähne.
    »Ich such schon den ganzen Abend nach einem Freund von meinem Chef«, sagte Tellman säuerlich. »Der hat bei dem vor ein paar Wochen seine Uhrkette verloren. ›Fahren Sie hin und suchen Sie sie‹, hat er mir gesagt. ›Ich hab die da bestimmt liegen lassen.‹ Dann hat er mir die Adresse von dem Mann aufgeschrieben, und ich hab den Zettel verloren.«
    »Wie heißt der denn?«, fragte der Straßenhändler und sah Tellman mit großen, blauen Augen an.
    »Keine Ahnung, hab den Zettel verloren, bevor ich ihn lesen konnte.«
    »’ne Uhrkette?«
    »Ja. Warum? Wissen Sie, wo die sein könnte?«
    Der Mann zuckte die Achseln und zeigte erneut die Zähne. »Nee. Wie sieht Ihr Chef denn aus?«
    Tellman gab ihm eine Beschreibung Adinetts. »Groß, ist sehr gut gekleidet, hat einen kleinen Schnurrbart. Geht mit hoch erhobenem Kopf, die Schultern nach hinten gedrückt, ganz wie ein Offizier.«
    »Den hab ich gesehen.« Der Mann sah selbstzufrieden drein. »Aber nich in den letzten Wochen«, fügte er hinzu.
    »Er war also hier?« Tellman bemühte sich, nicht zu eifrig zu erscheinen, konnte aber die Neugier in seiner Stimme nicht unterdrücken. »Sie haben ihn gesehen?«
    »Sag ich doch. Sagten Sie nich, er wär Ihr Chef und hätte Sie geschickt, damit Sie seine Uhrkette suchen?«
    »Ja. Aber wenn Sie ihn gesehen haben, wissen Sie vielleicht, in welchem Haus er war?« Tellman versuchte, seinen Fehler wieder gutzumachen. »Er ist ziemlich aufbrausend, und wenn ich ohne die Kette oder eine gute Erklärung wiederkomme, warum ich sie nicht habe, wird er sagen, dass ich sie gestohlen habe.«
    Mitfühlend schüttelte der Straßenhändler den Kopf. »Manchmal bin ich froh, dass ich keinen Chef hab. Es gibt gute Tage und schlechte Tage, aber niemand sitzt mir im Nacken.« Er wies die Straße hinab. »Das Haus da drüben. Nummer sechs. Tabak und Süßwaren. Da kommt und geht so manch einer. In dem Haus da war auch der ganze Ärger vor vier oder fünf Jahren.«
    »Was für ein Ärger?«, fragte Tellman beiläufig, als interessiere es ihn nicht wirklich.
    »Tag und Nacht sind Kutschen gekommen, und manchmal hat es auch Schlägereien gegeben«, antwortete der Mann. »Inzwischen is in Spitalfields viel mehr los. Aber damals war es hier ziemlich schlimm. Ständig wurde rumgebrüllt und geflucht.« Er verzog das Gesicht. »Das Komische war nur, die waren alle nich von hier! Kein Einziger.« Er sah Tellman fragend an. »Warum

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