Die Verschwörung
Abfeuern unverwechselbare Spuren im Metall der Geschosse hinterließen. Der Teufel lag eben im Detail. Serow hatte seine gesamte Karriere auf dieser Philosophie aufgebaut.
Die Gegend war so einsam, daß er schon darüber nachgedacht hatte, ob er den Schalldämpfer abmontieren und sich auf sein Können als Scharfschütze, das High-Tech-Zielfernrohr und den bestens durchdachten Fluchtplan verlassen sollte. Serow hielt seine Zuversicht für gerechtfertigt. Es war wie mit einem umstürzenden Baum. Wenn man mitten im Nirgendwo jemanden umbrachte, wer hörte ihn dann schon sterben? Außerdem wußte Serow, daß manche Schalldämpfer die Flugbahn einer Kugel stark beeinflussen konnten - mit dem Ergebnis, daß niemand dran glauben mußte außer dem verhinderten Attentäter, sobald dessen Auftraggeber von der Pleite erfahren hatte. Trotzdem: Serow hatte die Konstruktion des Schalldämpfers persönlich beaufsichtigt und war zuversichtlich, daß er wie geplant funktionieren würde.
Der Russe bewegte sich leise und drehte die Schulter, um einen Krampf zu lösen. Seit Anbruch der Dunkelheit war er hier. Doch Serow war an lange Nachtwachen gewöhnt. Wenn er Aufträge erledigte, wurde er niemals müde: Das Leben bedeutete ihm so viel, daß es seinen Adrenalinspiegel in die Höhe trieb, wenn er die Vorbereitungen traf, ein anderes Leben auszulöschen - so, als käme zugleich mit dem Risiko stets ein neuer Kraftschub. Ob man einen Berg bestieg oder einen Mord beging: Seltsamerweise fühlte man sich in der Nähe des Todes lebendiger.
Serows Fluchtweg durch die Wälder sollte ihn auf eine stille Straße führen, wo ein Wagen auf ihn wartete, um ihn zum nahe gelegenen Dulles-Flughafen zu bringen. Dann würde er andere Aufträge übernehmen, an Orten, die wahrscheinlich noch exotischer waren. Doch was Serow betraf, hatte auch dieser Ort seinen Reiz.
Es war ziemlich schwierig, jemanden in einer Stadt umzulegen. Die Wahl des Tatorts, das Betätigen des Abzugs und die Flucht waren in Städten immer ziemlich kompliziert, weil es dort Zeugen gab und die Polizei in sämtlichen Himmelsrichtungen immer nur wenige Schritte entfernt war. Doch auf dem Land, in der Einsamkeit einer bäuerlichen Umgebung, von Bäumen gedeckt, in einer Gegend, in der die Häuser weit voneinander entfernt waren, konnte er Tag für Tag mit gleichbleibender Effizienz töten, wie ein Wolf in einer Schafherde.
Serow saß auf einem Baumstamm. Er war nur ein paar Meter vom Waldrand und ungefähr dreißig Meter vom Haus entfernt. Trotz des dichten Waldes bot die Stelle ihm freies Schußfeld. Auf diese Entfernung hatte eine Kugel auf ihren Weg zwischen Mündung und Ziel nur zwei Zentimeter Toleranz.
Der Mann und die Frau, hatte man Serow mitgeteilt, würden das Haus durch die Hintertür betreten. Bloß würden sie es nicht bis dahin schaffen. Was der Laserstrahl unmerklich berührte, wurde von der Kugel zerfetzt und zerrissen. Serow wußte, daß er sogar ein Glühwürmchen treffen konnte, selbst wenn es doppelt so weit von ihm entfernt war wie die Hintertür.
Alles war so perfekt vorbereitet, daß sein Instinkt ihm zu höchster Wachsamkeit riet. Nun hatte er einen ausgezeichneten Grund, nicht in diese Falle zu tappen: den Mann im Haus. Er war kein Polizist. Gesetzeshüter schlichen nicht durch die Sträucher und brachen in anderer Leute Häuser ein. Da man Serow nichts davon gesagt hatte, daß der Mann heute abend hier auftauchen würde, zog er den Schluß, daß der Bursche nicht auf seiner Seite stand. Doch Serow wich nicht gern von einmal gefaßten Plänen ab. Er nahm sich vor, an seinem ursprünglichen Vorhaben festzuhalten und durch den Wald zu fliehen, nachdem die beiden tot am Boden lagen - falls der Mann im Haus blieb. Sollte der Bursche sich irgendwie einmischen oder nach draußen kommen, sobald die Schüsse gefallen waren ... nun ja, dann gab es eben drei Leichen statt zwei. Serow hatte ausreichend Munition dabei.
KAPITEL 3
Daniel Buchanan saß in seinem verdunkelten Büro und nippte schwarzen Kaffee, der so stark war, daß er bei jedem Schluck fast spüren konnte, wie sein Puls sich beschleunigte. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, das immer noch dicht und lockig war, aber nach dreißig Jahren Plackerei in Washington nicht mehr blond, sondern grau. Nach einem weiteren langen Tag, an dem er sich bemüht hatte, Abgeordnete davon zu überzeugen, daß seine Ziele ihrer Beachtung bedurften, war er total geschafft. Gewaltige Mengen Koffein waren zunehmend sein
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