Die Verschwörung
sprang vom Bohlenweg, duckte sich hinter ein Riedgrasbüschel und spähte zur Rückseite von Faiths Haus. Was er sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Die beiden Männer waren ganz in Schwarz gekleidet und glitten über die Mauer von Faiths Hinterhof. Waren es Bundesagenten? Oder die Kerle, die Faith auf dem Flughafen hatten töten wollen?
Bitte, lieber Gott, laß es nicht diese Burschen sein!
Die beiden Männer waren bereits hinter der Mauer verschwunden. In ein paar Sekunden würden sie im Haus sein. Hatte Faith die Alarmanlage wieder eingeschaltet, nachdem sie ihn hinausgelassen hatte? Nein, sagte sich Lee, wahrscheinlich nicht.
Er sprang auf, stürmte zum Haus. Als er den Bohlenweg überquerte, spürte er, daß sich ihm von links etwas näherte, in der sich zusehend lichtenden Dunkelheit. Wahrscheinlich rettete diese Wahrnehmung ihm das Leben.
Da Lee sich duckte und abrollte, drang das Messer nur in seinen Arm statt in den Hals. Er blutete zwar, als er wieder aufsprang, aber das feste Material der Motorradmontur hatte einen großen Teil der Wucht des Stoßes aufgefangen. Doch der Angreifer zögerte nicht, setzte sofort nach.
Diesmal aber reagierte Lee rechtzeitig. Er riß den unverletzten Arm hoch, packte den Mann und schleuderte ihn ins Riedgras - was so unangenehm war, als würde er ihm ein scharfes Messer tief ins Fleisch treiben. Lee sah sich nach seiner Pistole um, die er verloren hatte, als der Kerl sich auf ihn warf. Er hatte nicht die geringsten Gewissensbisse, den Mann niederzuschießen und die ganze Nachbarschaft zu alarmieren. Im Augenblick hätte er jede Hilfe willkommen geheißen, die örtliche Polizei eingeschlossen.
Sein Gegner erholte sich überraschend schnell, brach mit verblüffender Geschwindigkeit aus dem Ried hervor und prallte gegen Lee, bevor der seine Pistole aufheben konnte. Am Rand der Treppe schlugen die beiden Männer schwer zu Boden. Lee sah das Messer kommen, konnte aber das Handgelenk des Gegners packen, bevor die Klinge ihn erwischte. Der Kerl war stark; Lee konnte die stählernen Sehnen am Unterarm und den steinharten Trizeps spüren, als er den Oberarm des Mannes ergriff, um ihm das Messer aus der Hand zu zwingen. Doch Lee, der nicht umsonst im Lauf vieler Jahre Tausende Tonnen Stahl gestemmt hatte, war auch nicht gerade ein Schwächling.
Auch seine Kampferfahrung nützte dem Mann nichts, obwohl es ihm gelang, mit der freien Hand zwei oder drei wirksame Schläge in Lees Magen zu landen. Doch nach dem ersten Hieb spannte Lee die Bauchmuskulatur an und verspürte bei den nächsten Schlägen kaum noch Schmerz. Er hatte mehr als zwei Jahrzehnte lang Situps gemacht, hatte sich beim Boxtraining Medizinbälle gegen den Bauch schleudern lassen. Nach solchen Torturen bereitete ihm eine menschliche Faust nur wenig Schwierigkeiten, sofern der Gegner nicht das volle Körpergewicht in den Schlag legen konnte.
Urplötzlich ließ Lee den Oberarm des Mannes los und schmetterte ihm einen Aufwärtshaken aufs Zwerchfell. Er spürte, daß der Schlag dem Gegner den Atem raubte, aber der Kerl löste den Griff um das Messer nicht. Lee versetzte ihm drei Schläge in die Nieren - so ziemlich die schmerzhaftesten Hiebe, die man einem Gegner verpassen konnte, ohne ihm das Bewußtsein zu rauben. Der Mann ließ das Messer los, und es fiel klirrend die Stufen hinunter.
Schwer atmend rappelten beide Männer sich auf. Sie hielten sich noch immer umklammert, als ein blitzschneller Scherentritt des Angreifers Lee plötzlich die Beine wegriß. Er prallte schwer zu Boden, sprang jedoch sofort wieder auf, als er sah, daß der Gegner nach seiner Waffe griff. Die unmittelbare tödliche Bedrohung verlieh Lees Körper eine Geschmeidigkeit, die er in weniger gefährlichen Situationen niemals hätte aufbringen können. Er rammte den Kerl mit der Schulter - ein Zusammenprall wie aus dem Football-Lehrbuch -, und beide Männer stürzten über den Rand der Treppe und die steilen Stufen hinunter, prallten in den Sand und rollten weiter in die Wellen, wobei sie reichlich Salzwasser schluckten, denn die Flut hatte fast die Treppe erreicht.
Lee hatte gesehen, daß die Pistole während des Sturzes davongeschleudert worden war. Er riß sich los, rappelte sich auf und stand in knöchelhohem Wasser. Der Kerl kam ebenfalls wieder auf die Beine, aber nicht ganz so schnell. Trotzdem blieb Lee wachsam. Der Bursche beherrschte Karate - der Tritt oben an der Treppe hatte es bewiesen. Lee erkannte es auch an der
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