Die Verschwörung
gekommen war, zwar gründlich abgewischt, aber wahrscheinlich doch irgendwas vergessen. Heutzutage gab es Geräte, die Dinge aufspüren konnten, die man mit bloßem Auge nicht mal sehen konnte. Und das war nicht gut.
Als Faith die wirbelnden Lichter des Streifenwagens in der Dunkelheit verschwinden sah, fragte sie sich, ob die Polizisten zu dem Cottage unterwegs waren. Hatte Ken Newman eigentlich Frau und Kinder gehabt? Jedenfalls hatte er keinen Ehering getragen. Wie viele Frauen hatte auch Faith die Angewohnheit, auf solche Dinge zu achten. Allerdings hatte Newman wie ein väterlicher Typ gewirkt.
Während Lee den Wagen durch abgelegene Straßen lenkte, bewegte Faiths Hand sich nach oben, nach unten und berührte dann den linken und rechten Oberarm: Sie bekreuzigte sich. Die beinahe automatischen Bewegungen erstaunten sie selbst. Sie sprach ein stummes Gebet für den Toten. Und noch eins für seine Familie, falls es eine gab. »Tut mir leid, daß du tot bist«, sagte sie leise, um das zunehmend schlechte Gewissen zu beruhigen, daß sie überlebt hatte.
Lee schaute sie an. »Ein Freund von Ihnen?« Sie schüttelte den Kopf. »Er wurde meinetwegen umgebracht. Reicht das nicht?«
Es überraschte sie, wie leicht ihr der Text des Gebets eingefallen und ihr religiöses Empfinden zurückgekehrt waren. Durch das unstete Leben ihres Vaters war Faith nur selten in der Kirche gewesen. Doch ihre Mutter hatte darauf bestanden, daß Faith dort, wo Dad sein Glück versuchte, auf katholische Schulen ging. Ihr Vater war dieser Tradition auch nach dem Tod seiner Frau treu geblieben. Die katholischen Schulen hatten sie offenbar geprägt - trotz des Lineals, mit der die eine oder andere Schwester ihr des öfteren eins übergebraten hatte. Im Sommer vor der Abschlußklasse war Faith zur Waisen geworden. Ein Herzschlag hatte den ständigen Reisen mit ihrem Dad ein jähes Ende bereitet. Man hatte Faith zu einer Verwandten geschickt, die sie nicht haben wollte und der es sichtlich schwergefallen war, dem Mädchen Beachtung zu schenken. Faith hatte bei jeder Gelegenheit gegen die Frau rebelliert: Sie hatte geraucht, getrunken und in jungen Jahren ihre Unschuld verloren, lange bevor es Mode wurde. Das ewige Zerren der Nonnen an ihren Röcken, damit sie ihre Knie bedeckte, hatte in Faith nur den Wunsch erweckt, die verdammten Dinger bis zum Zwickel ihres Höschens hochzuziehen. Insgesamt gesehen war es ein Lebensjahr gewesen, das man am besten vergaß. Danach folgten ein paar Jahre, die auch nicht viel besser waren: Faith hatte versucht, sich durchs College zu schlagen und ihrem Leben einen Sinn zu geben. In den letzten fünfzehn Jahren jedoch war es flott bergauf gegangen - zielstrebig, energisch und flüssig. Nun aber war sie ins Trudeln geraten und raste auf die Klippen zu.
Faith warf einen Blick zu Lee. »Wir müssen die Polizei anrufen und jemandem sagen, daß er da draußen liegt.«
Lee schüttelte den Kopf. »Viel zu gefährlich. Keine gute Idee.«
»Wir können ihn doch nicht einfach da liegenlassen. Das ist nicht recht.«
»Wollen Sie etwa zum nächsten Polizeirevier und versuchen, die ganze Sache zu erklären? Man wird uns in Zwangsjacken stecken.«
»Verdammt noch mal! Wenn Sie es nicht tun, tue ich es eben. Ich lasse ihn nicht für die Eichhörnchen da liegen!« »Ist ja schon gut, regen Sie sich ab.« Er seufzte. »Ich nehme an, wir können irgendwann einen anonymen Anruf riskieren, damit die Bullen sich um die Sache kümmern.«
»In Ordnung«, sagte Faith.
Ein paar Minuten später fiel Lee auf, daß Faith zappelig wurde.
»Ich muß Sie um noch was bitten«, sagte sie.
Ihre Art ging ihm allmählich auf den Wecker. Er bemühte sich, nicht an den Schmerz in seinem Ellbogen zu denken, an die lästigen Dreckklümpchen in seinen Augen und an die unbekannten Gefahren, die vor ihnen lagen.
»Und das wäre?« fragte er vorsichtig.
»Wir kommen gleich an eine Tankstelle. Ich möchte mich waschen.« Dann fügte sie leise hinzu: »Falls es Ihnen recht ist.«
Lee musterte die Flecken auf ihrer Kleidung, und sein Gesichtsausdruck wurde sanfter. »Kein Problem«, sagte er.
»Es geht die Straße da runter ...«
»Ich weiß, wo die Tankstelle ist«, sagte Lee. »Ich informiere mich über die Gegebenheiten der Gegend, in der ich arbeite.«
Faith schaute ihn nur an.
Als Faith auf der Toilette sorgfältig das Blut aus ihrer Kleidung wusch, gab sie sich alle Mühe, sich nicht auf ihre Tätigkeit zu konzentrieren. Trotzdem hatte
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