Die verschwundene Frau
holen, ging ein Strahlen über sein Gesicht.
»Sie kennen also Morrell«, sagte er, nachdem ich aufgelegt hatte. »Das hätten Sie mir gleich sagen sollen. Ich wusste gar nicht, dass er wieder in der Stadt ist.«
»Sie haben ihn aus Guatemala rausgeschmissen«, sagte ich. »Sonderlich gut kenne ich ihn nicht.«
Vater Lou hatte ihn während der Amtszeit von Reagan kennengelernt, als amerikanische Kirchen Flüchtlingen aus El Salvador manchmal Zuflucht gewährten. In St. Remigio war eine Familie untergekommen, die nach Humboldt Park geflohen war, und Morrell hatte einen Artikel über sie geschrieben.
»Morrell tut eine Menge Gutes. Es wundert mich nicht, dass sie ihn aus Guatemala rausgeschmissen haben. Er kümmert sich ständig um irgendwelche armen Kerle. Wenn Sie mit ihm zum Essen verabredet sind, haben Sie wahrscheinlich Hunger.«
Er führte mich einen langen, dunklen Flur entlang zu seiner Küche, einer richtigen Höhle mit einem Herd, der noch älter war als das Telefon mit der Wählscheibe. Erfragte mich nicht, was ich wollte oder ob ich irgend etwas nicht mochte, sondern schlug einfach ein paar Eier in eine Pfanne. Er aß drei davon, ich zwei, aber ich nahm mir genausoviel Toast wie er.
Als Lacey um neun immer noch nicht da war, sahen wir uns zusammen Murrays Sendung auf einem Fernseher im Gemeindesaal an, der so alt war, dass Murrays Gesicht auf dem Bildschirm ganz rot und grün ausschaute. Sein Bericht wirkte nicht so spritzig wie die Sachen, die Murray sonst machte: Offenbar hatten ihm meine Informationen doch zu denken gegeben, egal, wie wütend er mich am Vormittag aus seiner Wohnung hinauskomplimentiert hatte. Der größte Teil der Sendung konzentrierte sich auf den Lieferweg der Drogen von Mexiko nach Chicago, und nur neunzig Sekunden beschäftigten sich mit Lucian Frenada, »einem aufstrebenden Jungunternehmer, dessen früher Tod viele Fragen aufwirft. Hatte er Verbindungen zu einem Drogenring, worauf die fünf Kilo Kokain, die letzte Woche in seiner Fabrik gefunden wurden, hinweisen? Wurde er von Komplizen ermordet, mit denen er in Konflikt geraten war? Oder hatte er überhaupt nichts mit der Angelegenheit zu tun, wie seine Schwester und andere Freunde behaupten?«
Dann wandte sich Murray Aufnahmen von Frenadas Fabrik zu, von Kokainbeuteln in einem Ballen T-Shirt-Stoff, von Lacey und Frenada vor der Kirche, in der wir gerade saßen. »Vater Lou Corrigan, der Lucian Frenada in jenem Gebäude zum Stadtmeister im Leichtgewicht aufgebaut hat, war nicht bereit, mit Channel Thirteen über Frenada oder seine preisgekrönte Schülerin Lacey Dowell zu sprechen.«
Dann folgten Einzelheiten aus Laceys Leben, Aufnahmen von einem zwei Wochen alten Interview mit ihr und schließlich eine Zusammenfassung, die ich als ziemlich lahm empfand. Vater Lou war wütend, ich aber wusste, dass Murrays Sendung sehr viel zahmer gewesen war, als sie es ohne mein Einschreiten geworden wäre. Natürlich hatte der Priester Frenada dreißig Jahre lang gekannt, und so hatte die Angelegenheit für ihn eine persönliche Dimension.
Wir gingen wieder in sein Arbeitszimmer und unterhielten uns bei einer zweiten Kanne Tee weiter über die Sendung, als es klingelte. Vater Lou erhob sich von seinem Stuhl und trat leichtfüßig auf den Flur hinaus. Ich folgte ihm: Wenn Lacey ein Köder war, den Global nach mir auswarf, dann würde ich nicht im Angesicht eines Kreuzes auf ihn warten.
Doch Lacey war allein. Ihre roten Locken steckten unter einem Motorradhelm. In ihrer Jeans und der Jacke hätte niemand sie erkannt.
Sie legte den Arm um den Priester. »Tut mir leid, Vater Lou. Alles.«
»Ach? Und was muss dir leid tun, Miss? Irgend etwas, über das wir uns unter vier Augen im Beichtstuhl unterhalten sollten?«
Sie hob den Kopf und sah blinzelnd den Flur hinunter. Als sie mich entdeckte, wich sie von Vater Lou zurück und straffte die Schultern. »Wer ist das?«
»Das ist eine Detektivin, Magdalena«, sagte der Priester. »Eine Privatdetektivin, um genau zu sein. Sie hat ein paar Fragen über Lucy, die du meiner Meinung nach beantworten solltest.«
Lacey wandte sich der Tür zu, doch Vater Lou packte sie am linken Handgelenk und zog sie zu sich heran. »Mit dem hast du früher gespielt, aber ich muss dich eigens anrufen, damit du herkommst und mit mir über ihn redest. Das spricht für sich selbst, Magdalena.«
»Ist das nicht ziemlich melodramatisch?« sagte Lacey. »Mitternächtliche Treffen in der Kirche?«
»Warum nicht?«
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