Die verschwundene Frau
sagen sollte. Schließlich hatte er mir ja schon versichert, dass er das T-Shirt nicht hatte. Und außerdem hat er etwas ziemlich Schreckliches über Lucy gesagt, und ich hab' ihn dran erinnern müssen, dass ich auch aus Mexiko komme. Aber ich hab' Alex davon erzählt, und sie hat gemeint, ich soll aufhören, mir darüber Gedanken zu machen; wenn Lucy ein T-Shirt fehlt, dann schickt sie ihm eben eins. Doch darum ging's natürlich nicht.«
»Und was war so außergewöhnlich an diesen T-Shirts?« fragte ich. »Der Stoff? Oder das Bild darauf?«
»Ehrlich, ich weiß es nicht«, sagte sie und breitete wieder die Hände aus. »Ich glaube, Lucy war einfach wütend, weil Global ihm den Vertrag nicht gegeben hat, und das hat seine Perspektive verzerrt.«
»Wo stellt Global seine Merchandising-Produkte her? T-Shirts und Puppen und solche Sachen?« fragte ich.
»Das habe ich nie gefragt. Wahrscheinlich überall auf der Welt.«
»In den Ländern der Dritten Welt? Oder in Amerika?«
Sie schüttelte ungeduldig den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
»Sie kassieren zwar die Tantiemen, aber Sie fragen lieber nicht so genau nach, weil Sie Angst haben vor dem, was Sie vielleicht erfahren könnten?« sagte ich.
»Es reicht mir jetzt, von Ihnen wie Dreck behandelt zu werden«, sagte sie und erhob sich von ihrem Stuhl. »Ich gehe.«
Doch Vater Lou erreichte die Tür vor ihr und versperrte ihr den Weg. »Gleich kannst du gehen, Magdalena. Ich bin froh, dass du heute abend zu mir gekommen bist. Und ich glaube, dass du jetzt besser schlafen kannst, weil du die Wahrheit gesagt hast, denn das hast du ja sicher getan.
Morgen ist übrigens die Messe für Lucy«, fügte er hinzu, als sie nichts erwiderte. »Ich erwarte, dass du kommst. Sie ist um elf. Die Kinder von Lucys Schwester erhalten seine Lebensversicherung, aber sie könnten noch ein bisschen Geld für die Schulgebühren brauchen. Und es wäre außerdem eine schöne Geste, wenn du zu seinem Angedenken ein Stipendium für die Schüler dieser Schule einrichtest.«
Sie war wütend, aber nachdem sie den Priester eine ganze Weile angesehen hatte, nickte sie schließlich. Er ließ sie los. Ein paar Minuten später hörten wir draußen einen Motor anspringen. Ihr Motorrad. Ich würde Emily fragen, welche Marke Lacey Dowell fuhr.
Zwanzigtausend Dollar für St. Remigio statt drei Gegrüßet-seist-du-Maria? So hörte sich die Sache für mich jedenfalls an.
»Ich bin müde; ich möchte jetzt ins Bett«, sagte Vater Lou, »Haben Sie erfahren, was Sie wissen wollten?«
Ich hatte keine Ahnung, denn ich begriff immer noch nicht, warum das T-Shirt, das Frenada hergestellt hatte, so wichtig war. Und ich war nicht so sicher wie Vater Lou, dass Lacey die Wahrheit gesagt hatte. Als ich ihn verließ, überlegte ich, wieviel Zeit ich wohl noch hatte, bis ich wie Lucian Frenada in einem Sarg landete. Vielleicht würde Vater Lou dann auch für mich eine Messe halten, obwohl ich nicht religiös war.
Ein Tag auf dem Land
Inzwischen machte mich alles nervös. Ich hatte Angst, nach Hause zu fahren, weil ich nicht wusste, ob mir dort jemand auflauerte. Aus demselben Grund hatte ich Angst, zu meinem Wagen zu gehen. Und ich hatte Angst, Mr. Contreras zu meinem Büro zu schicken, um den Wagen abzuholen, weil ich mir vorstellen konnte, dass Baladine eine Bombe unter der Motorhaube versteckt hatte. Am Ende war ich so wütend über mich selbst und meine Furcht, dass ich, nachdem ich aus der Hochbahn ausgestiegen war, direkt nach Hause ging: ganz normal den Gehsteig entlang und zur Vordertür hinein. Nichts passierte, und perverserweise machte mich das noch nervöser.
Am Morgen fuhr ich mit der Hochbahn zu meinem Büro und warf einen Stein auf die Motorhaube meines Wagens. Er prallte davon ab. Der Skylark ging nicht in die Luft, aber ein paar Jungen, die auf der anderen Seite der Straße herumlungerten, verdrückten sich in eine Gasse: Mit einer Verrückten wollten sie nichts zu tun haben.
Drinnen wartete bereits die Frau von der Agentur auf mich: Tessa war ungewöhnlich früh eingetroffen und hatte sie hineingelassen. Ich sagte der Frau, wie sie die Papiere weiter ordnen sollte, bevor ich bei Unblinking Eye anrief und mich von den Leuten dort wegen des neuen Sicherungssystems beraten ließ. Weil Tessa und ich denselben Eingang benutzten, brauchten wir nur zwei Überwachungsbildschirme - einen für jeden Arbeitsbereich. Das ging zwar trotzdem ins Geld, aber bei weitem nicht so, wie ich befürchtet hatte. Die
Weitere Kostenlose Bücher