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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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vom Tod des Babys erzählte. Das arme Baby, die Ursache von soviel Leid, denn das Kind war krank gewesen, und Nicola hätte Geld fürs Krankenhaus gebraucht, also hatte sie gestohlen, und die Leute, bei denen sie arbeitete, hatten sie nicht zu ihrem Baby ins Krankenhaus gelassen; sie hatten ihr auch kein Geld geliehen; natürlich war es nicht richtig gewesen, dass Nicola gestohlen hatte, aber Senora Mercedes konnte verstehen, warum sie es getan hatte. Und dann hatte sie dafür fünf Jahre Gefängnis bekommen, obwohl Männer, die viel schlimmere Verbrechen begingen, längst keine so langen Haftstrafen bekamen. Hier in Amerika war alles ziemlich schrecklich. Wenn es nicht darum gegangen wäre, dass Sherree eine gute Ausbildung erhielt, wären sie nie geblieben.
    Es herrschte kurzes Schweigen, bevor ich Senora Mercedes fragte, was mich am meisten interessierte: Nicolas Arbeit in der Gefängniswerkstatt. Die sei gut gewesen, sagte ihre Mutter, weil sie zwei Dollar fünfzig pro Stunde erhielt fürs Nähen, das Nähen von Hemden. Nicola sei sehr schnell gewesen, ihre Finger so... ja, so flink, das sei das richtige Wort. Sie sei die Beste der Gruppe gewesen, hatten die Chefs vom Gefängnis gesagt.
    »Was für Hemden?« fragte ich, doch das wusste Senora Mercedes nicht. Natürlich hatte sie die Arbeit ihrer Tochter nie gesehen. Die hätte sie nicht einmal bei einem Besuch gesehen. Sie wusste lediglich, dass sie Hemden genäht hatte. Dann holte sie einen Brief von Nicola heraus und zeigte ihn mir.
    Morrell half mir bei der Übersetzung des Textes, der ziemlich stark zensiert worden war:
    Liebe Mama,
    mir geht es gut, und ich hoffe, dass es auch Dir und Sherree und Anna gutgeht. Ich arbeite jetzt in der Näherei, wo ich gutes Geld verdiene. Wir nähen (ausgestrichen), ich schaffe mehr als alle anderen in der Stunde, die anderen Mädchen sind neidisch. Für mehr Geld kann man in (ausgestrichen) arbeiten, aber das ist zu hart für mich. Du brauchst Dir meinetwegen keine Sorgen zu machen, auch wenn ich klein und zierlich bin (zwei Zeilen dick durchgestrichen). Senora Ruby ist eine nette alte Frau, die sich um mich kümmert, und jetzt, wo die Leute sehen, dass sie auf meiner Seite steht, machen die kräftigen Frauen nicht mehr (ausgestrichen). Das Essen ist gut, ich esse genug, und ich spreche jeden Tag meine Gebete. Bitte gib Sherree und Anna viele, viele Küsse von mir.
    Nicola
    Also hatte das Baby Anna geheißen. Nicola hatte in fünfzehn Monaten lediglich sechs Briefe schicken können, und von denen waren große Abschnitte durchgestrichen.
    Als wir uns auf heikleres Terrain vorwagten - nämlich Nicolas Liebesleben -, wusste Senora Mercedes entweder tatsächlich nichts oder es gab nichts zu wissen. Wann hätte Nicola denn Zeit haben sollen, sich mit einem Mann zu treffen? fragte Senora Mercedes. Schließlich arbeitete sie sechs Tage die Woche. Und am Sonntag fuhr sie nach Hause und verbrachte den Tag mit den Kindern. Nicola arbeitete, und Senora Mercedes arbeitete ebenfalls in der Nachtschicht in einer Kartonfabrik, damit Sherree und Anna es gut hatten. Ein Mann namens Lemour? Nein, von dem hatte Nicola nie etwas erwähnt. Und Mr. Baladine, Nicolas Arbeitgeber? Nicola konnte ihn nicht sonderlich leiden, aber er zahlte gut, und sie versuchte, sich nicht zu beklagen. Sherree, die immer noch auf dem Boden mit ihren Puppen spielte, schien dem, was Senora Mercedes gesagt hatte, nichts hinzuzufügen zu haben.
    Wir hatten uns mittlerweile zwei Stunden lang unterhalten. Nun lud Morrell uns in einer Tacqueria zum Essen ein. Bei Burritos und gebratenen Plantainbananen erzählte Senora Mercedes mir von dem Tag, an dem Nicola gestorben war.
    »Ich habe erst am nächsten Tag von ihrem Tod erfahren. Vom Tod meiner eigenen Tochter. Am Montag sind die Marshals gekommen. Senora Attar, eine gute Frau, auch wenn sie eine andere Religion und eine andere Sprache hat als ich, ist aufgewacht und hat sie gesehen, bevor sie mich und Sherree festnehmen konnten. Sie hat den Beamten gesagt, ich bin ihre Mutter. Was für eine gute Frau! Aber natürlich musste ich danach sofort die Wohnung verlassen.«
    Ich unterbrach Morrell, der das alles für mich übersetzte, damit er sie um eine genaue Beschreibung der Männer bat. Es waren zwei gewesen. Und was hatten sie getragen? Anzüge. Keine Uniformen?
    »Wieso ist das so wichtig?« fragte Morrell, als ich weiterbohrte.
    »Wenn sie State Marshals gewesen wären, hätten sie Uniformen getragen. Vielleicht waren

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