Die verschwundene Frau
weggegangen, dabei hatte ich so dringend aufs Klo gemusst... und...«
Wieder begannen seine Schultern zu beben. Ich drückte ihn ein wenig und nahm einen Schluck Kakao, um das flaue Gefühl in meinem Magen zu bekämpfen. So also sahen die Familienabende bei den Baladines aus. Spaß für alle.
»Nun hör mir mal zu, junger Mann«, sagte Mr. Contreras plötzlich. »Ich bin Soldat und Maschinist gewesen, ich hab' mit Männern zu tun gehabt, die deinen Daddy ohne große Anstrengung hätten auseinandernehmen können, und ich sage dir: Ein richtiger Mann macht so was nicht, der hetzt keinen Hund auf seinen Sohn.«
»Allerdings«, sagte ich. »Ich würde vorschlagen, dass wir die Hunde heute nacht hier raufbringen und Robbie unten bei Ihnen schläft. Wenn BB dann wirklich auftauchen sollte, wird Mitch ihm was vorbellen, aber seinen Sohn findet er nicht.«
Da hellte sich Robbies Gesicht ein wenig auf. Ich half ihm wieder die Treppe zu Mr. Contreras' Wohnung hinunter und hielt die Hunde fest, während er hineinging. Mr. Contreras meinte, er könne zum Schlafen ein Pyjama-Oberteil von ihm haben, und am Morgen würden sie ihm eine Jeans und ein paar T-Shirts besorgen.
»Ich weiß, dass du ziemlich müde bist, aber würdest du mir noch eine Frage beantworten, bevor du ins Bett gehst?« sagte ich, während ich das Schlafsofa auszog und Mr. Contreras sauberes Bettzeug brachte. »Was wolltest du mir sagen, als du mich letzte Woche angerufen hast?«
Das hatte er angesichts seiner anderen Abenteuer völlig vergessen, obwohl dieser Anruf BB und Eleanor veranlasst hatte, ihn in dem Militärlager anzumelden. Er blinzelte ein paarmal, dann erinnerte er sich wieder.
»Sie haben doch von dem Mann gehört, den sie aus dem Lake Michigan gezogen haben, oder? Ich bin mir ziemlich sicher, dass er bei BB war. Zusammen mit Mr. Trant.«
»Teddy Trant von Global? Bist du dir da wirklich sicher?«
»Nun lassen Sie ihn in Ruhe, der Junge schläft doch schon im Stehen ein. Das kann bis morgen warten.«
»Sie haben recht. Tut mir leid, ich hab' nicht mitgedacht«, sagte ich, doch Robbie, der sein eigenes Hemd auszog und ein grell gestreiftes Pyjama-Oberteil von Mr. Contreras überstreifte, meinte: »Natürlich kenne ich Mr. Trant, und ich bin mir ziemlich sicher, dass der Mann aus dem Fernsehen bei ihm war. Er war ganz schön wütend, aber ich hab' nicht hören können, was er gesagt hat, und außerdem haben sie mich zusammen mit Rosario und Utah ins Kinderzimmer gesperrt. Weil ich - das hat Mom gesagt - ein kleiner Schnüffler bin, der sofort alles weitertratscht. Aber mitten in der Nacht bin ich aufgewacht, weil sie unter meinem Fenster gestanden haben und Mr. Trant gesagt hat, das sollte das Problem fürs erste lösen, vorausgesetzt Abigail - Mrs. Trant, Sie wissen schon - kommt nicht wieder auf die Idee, irgend jemandem zu helfen.«
»Schluss jetzt, Victoria. Der Junge muss ins Bett. Für heute reicht's mit den Detektivspielen.«
»Ms. Warshawski, danke, dass ich hierbleiben darf, und Ihnen auch, Sir. Tut mir leid, aber ich weiß nicht, wie Sie heißen, und die Sache mit den Hunden tut mir auch leid, ich meine, dass sie wegen mir nicht hierbleiben dürfen. Vielleicht... vielleicht hab' ich morgen nicht mehr soviel Angst vor ihnen.«
Ich drückte seine Schultern. »Nun schlaf gut. Morgen sieht alles ganz anders aus.«
Erst als ich nach oben ging, fiel mir wieder ein, dass BB möglicherweise meine Wohnung abhörte. Hoffentlich täuschte ich mich mit dieser Vermutung, denn wohl war mir nicht bei dem Gedanken, was Baladine als nächstes tun könnte.
Unter Hechten
Lemour nahm mich fest, als ich die Haustür am Freitag nachmittag aufschloss. Er drängte mich gegen das Geländer aus Stein und riss mir die Handtasche von der Schulter. Ein Deputy Sheriff von Du Page County, der ihn begleitete, versuchte, ihn zu beruhigen, wurde aber mit einer rüden Geste weggestoßen.
Nachdem Lemour mir Handschellen angelegt hatte, hielt er mir einen Haftbefehl auf den Namen Victoria Iphigenia Warshawski unter die Nase, die gesetzwidrig und ohne Erlaubnis der Eltern Robert Durant Baladine, ein minderjähriges, nicht verwandtes Kind, gegen seinen Willen festhielt.
Da erschien Mr. Contreras mit den Hunden auf der Bildfläche. Mitch riss sich von ihm los und stürzte sich auf Lemour. Der Beamte schlug ihm auf den Kopf. Mitch wich jaulend zurück. Lemour wollte ihm einen Tritt versetzen, doch ich warf mich zwischen seinen Fuß und den Hund. Wir fielen alle in
Weitere Kostenlose Bücher