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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Gefängnis waren? War's im Gefängnis genauso schrecklich wie in diesem Lager? Wollen Sie kein Eis?«
    Ich esse normalerweise kaum Süßigkeiten, bestellte mir aber auch eine Kugel, um ihm Gesellschaft zu leisten. Während wir unser Eis genossen, zeichnete Robbie mir einen Plan vom Haus der Baladines auf - wo sich Baladines Arbeitszimmer und die Kontrollschalter für die Alarmanlage befanden beziehungsweise welche Teile des Hauses die Videokameras überwachten. Ich hatte ihm gesagt, das interessiere mich im Zusammenhang mit Nicolas Tod.
    »Aber ich möchte diese Informationen nutzen, um... nun, einerseits, um deinen Vater daran zu hindern, dass er mich und meine Detektei kaputtmacht, und andererseits, um ihm das heimzuzahlen, was er mir durch den Gefängnisaufenthalt angetan hat. Ich möchte, dass du es dir genau überlegst, bevor du deine Eltern an mich verrätst.«
    Er verzog das Gesicht. »Bitte fangen Sie nicht auch noch an, mir Predigten zu halten wie die hier. Ich weiß, dass ich Vater und Mutte r ehren soll, aber wieso denken die nie auch mal an mich? Manchmal habe ich das Gefühl, dass irgendwas mit mir nicht stimmt, und ich weiß, dass sie am glücklichsten waren, wenn ich einfach verschwinden würde. Ich wünschte, ich könnte das; ich wünschte, ich wäre stark genug, um mich selbst umzubringen.«
    Ich tröstete ihn, so gut ich konnte - nicht damit, dass seine Eltern ihn im Innersten doch liebten, sondern damit, dass er ein interessanter und ungewöhnlicher Mensch sei und das niemals vergessen dürfe. Ich war froh, dass er sich nach einer Weile zu entspannen schien. Ich fragte ihn nur, ob er mehr Zeit brauche, um sich meine Bitte zu überlegen, aber er sagte, nein, ihm sei es recht, solange Utah nichts passiere.
    »Sie ist manchmal ziemlich widerlich, aber ich mag sie trotzdem.«
    »Ich glaube nicht, dass ihr irgendwas passiert. Jedenfalls nicht körperlich, obwohl ich hoffe, dass dein Vater sich einen neuen Job suchen muss, vielleicht in einer anderen Stadt. Das könnte für deine Mutter ziemlich schlimm werden.«
    Er aß noch ein Eis, während er mir dabei half, den Plan vom Innern des Hauses zu zeichnen. Hinterher unterhielten wir uns ein bisschen über das Leben im allgemeinen und darüber, was die Zukunft für ihn bereithielt, wenn er erwachsen wäre. Dabei bemerkte ich gar nicht, wie es langsam dunkel wurde; wir würden zu spät ins Lager kommen. Ich dirigierte Robbie in den Mietwagen und fuhr wie eine Verrückte zum Lager zurück.
    Bevor ich ihn am Wachhäuschen ablieferte, drückte ich ihm noch ein paar Zwanziger in die Hand. »Das Geld reicht für den Bus von Columbia zurück nach Chicago, falls du zu dem Schluss kommst, dass du's hier nicht mehr aushältst. Näh's in den Bund deiner Shorts ein, aber benutz es bitte erst, wenn ich weiß, ob dein Vater die Anklage wegen Entführung fallenlässt. Oder nach meiner Verhandlung, je nachdem, was zuerst ist.«
    Diese Fluchtmöglichkeit schien ihn ein wenig optimistischer zu stimmen. Ich entschuldigte mich bei dem Wachmann dafür, dass ich meinen Neffen zu spät zurückbrachte, und bat ihn, Robbie nicht dafür verantwortlich zu machen - ich hatte mich verfahren, und dafür konnte der Junge nichts. Ich hatte gedacht, dass ein weiteres strahlendes Lächeln die Sache ein für allemal in Ordnung bringen würde, aber jetzt rief dieser Major Enderby die Baladines doch tatsächlich an, um ihnen zu sagen, dass Tante Claudia ihren Neffen zu lange vom Lager ferngehalten hatte.
    Ich wartete in der Toilette, bis ich hörte, wie über Lautsprecher der Start des ersten Schwimmwettbewerbs durchgesagt wurde. Die Toilette hatte eine zweite, verschlossene Tür, die ins Zimmer des Kinder- und Hausmädchens führte. Ich brauchte ungefähr fünfzehn Sekunden, um das Schloss zu knacken. Ich machte schnell, weil ich Angst hatte, dass Rosario während des Wettschwimmens Pause hatte, und blieb nur einen Augenblick vor einer kleinen Metallfigur der heiligen Jungfrau von Guadeloupe stehen, die über das ordentliche schmale Bett genagelt war. Mit einem kurzen Gebet in ihre Richtung ging ich zur Hintertreppe, die zu den Räumen von Utah und Madison sowie zum Spielzimmer führte. Auf der anderen Seite befand sich ein Flur, durch den ich zu Baladines Arbeitszimmer gelangte, nachdem ich den auf meiner Karte vom Haus vermerkten Überwachungskameras ausgewichen war. Ich kroch auf Händen und Knien hinein.
    Robbie hatte mir gesagt, die Alarmanlage reagiere auf Stimmen und Bewegungen. Das

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