Die verschwundene Frau
Geräusch meiner Hände und Knie auf dem Teppich würde sie nicht aktivieren; bei einem Hustenanfall wäre das etwas anderes.
Ich kroch an der Wand entlang und näherte mich Baladines Schreibtisch von hinten. Auf dem Bauch liegend, streckte ich die Hand aus und schaltete die Video-Überwachungsanlage für da s Büro aus. Als nach ein paar Minuten immer noch keine Leute vom Sicherheitsdienst auftauchten, beruhigte ich mich soweit, um mich im Raum umsehen zu können.
Ich lauschte immer wieder auf Geräusche. Das ganze Haus war schallgedämpft, und die Rufe am Pool drangen nur als fernes Echo herüber. Ich hatte vielleicht eine halbe Stunde Zeit und musste ganz ruhig werden, um sie so gut wie möglich zu nutzen.
In dem Raum befand sich alles, was sich ein echter Kerl für sein Arbeitszimmer wünschen konnte, von der weichen schwarzen Ledercouch im Erker bis zu den elektrischen Geräten auf dem Schreibtisch: Reißwolf, Fax, Scanner, Bildtelefon.
Ich schaltete den Computer ein. Dabei verwendete ich ein Kleenex, weil ich den Wachleuten wahrscheinlich nicht hätte erklären können, warum ich Gummihandschuhe in meiner Handtasche herumtrug. Nachdem der Computer hochgefahren war, stand auf dem Bildschirm die Bitte nach einem Passwort. Robbie hatte gemeint, vermutlich würde sein Vater die Nummer seines Schiffes dafür verwenden. Als das nicht funktionierte, versuchte ich es mit dem Namen des Schiffes. Wunderbar. Um in die Dateien von Carnifice zu gelangen, benötigte ich ein weiteres Passwort. Ich probierte es noch einmal mit der Kennummer seines Schiffes, doch dem Computer war Baladines Dienstzeit beim Militär lieber.
Ich rief das Sicherheitssystem fürs Haus auf und ließ die Flurkamera auf dem geteilten Bildschirm erscheinen. So würde ich früh genug wissen, wenn Baladine beschloss, in sein Büro zu gehen. Ich öffnete die Türen auf der anderen Seite des Raumes. Die erste führte in einen Schrank, die zweite in ein kleines Bad und die dritte in einen Flur.
Ich loggte mich beim E-Mail-Server ein und rief die Liste der Kunden auf. Fünf meiner früheren Kunden hatten Sternchen neben ihrem Namen; hinter dem von Darraugh Graham befand sich ei n Fragezeichen. Ich hatte das, was ich schreiben wollte, auswendig gelernt, so dass ich ziemlich schnell tippen konnte. Ob ich an alle aufgelisteten Empfänger senden wolle, fragte mich der Bildschirm. Ja, das wollte ich.
Als nächstes tippte ich meine eigene Presseliste ein und verfasste eine weitere Botschaft. Nachdem ich diese Liste per E-Mail verschickt hatte, war ich nicht mehr ganz so nervös. Ich löschte alle Nachrichten, sowohl aus dem Postausgang als auch aus dem Papierkorb, so dass Baladine nach einem Blick auf seine Mailbox nicht merkte, dass jemand den Server benutzt hatte. Selbst wenn er mich jetzt fand, hatte ich schon eine ganze Menge Schaden angerichtet.
Als Vorsichtsmaßnahme kopierte ich seine Daten für die Haussicherung auf eine Diskette und seine Kundendatei auf eine weitere. Hinterher suchte ich in seinem Posteingang nach Nachrichten, die sich auf mich beziehen konnten.
Meine Suche hatte zu viel Zeit in Anspruch genommen. Ich kam ins Schwitzen und spielte gerade mit dem Gedanken, mich auf den Weg nach draußen zu machen, als ich auf dem Kamerabild Baladine und Alex Fisher im Flur auftauchen sah. Ich schaltete den Computer aus, packte meine Disketten und verkroch mich mit vor Aufregung heftig pochendem Herzen in dem Schrank am anderen Ende des Raumes.
Die beiden unterhielten sich, als sie das Zimmer betraten, aber sie sprachen so leise, dass ich nichts verstand. Der Schweiß begann mir in Strömen herunterzulaufen, während ich mir vorstellte, dass ich eine Diskette oder ein Kleenex hatte liegenlassen, die sie auf meine Spur führen könnten.
Erst nach einer ganzen Weile merkte ich, dass Baladine und Alex nicht in sein Arbeitszimmer gekommen waren, um einen Blick auf seinen Computer zu werfen, sondern um ein bisschen Zeit für sich z u haben, während Eleanor sich voll und ganz auf den Pool konzentrierte. Einmal allerdings sprach Baladine so laut, dass ich hörte, was er sagte: Er könne sich nicht erinnern, die Videokamera ausgeschaltet zu haben. Nach etwa zwanzig Minuten intensivster körperlicher Betätigung der beiden auf der Ledercouch legte sich eine Hand auf die Klinke der Schranktür.
Sie öffnete sich einen Spalt, doch Baladine sagte: »Nein, nein, Schatz, die Toilette ist gleich daneben - das ist bloß ein Putzschrank.«
Die schlampige Alex
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