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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Boden fiel. Nicola hob Utah wieder auf und begann, sie in einer Sprache, die ich nicht kannte, wahrscheinlich Tagalog, zu trösten.
    Es war ziemlich beunruhigend, Nicola Aguinaldo lebendig zu sehen, auch wenn es nur auf den grobkörnigen Bildern der Videokassette war. Sie war klein und zierlich, so klein, dass sie neben Eleanor selbst wie ein Kind wirkte. In Eleanors Gegenwart wurde sie so starr wie eine Puppe, doch allein mit den Kindern entspannte sie sich ein wenig. Robbie kam herein und begann, mit Utah zu spielen. Er sprach Spanisch mit Nicola, die ihn wegen seines Akzents neckte und ihn zum Lachen brachte. Ich hatte Robbie noch nie glücklich gesehen. Wenn Nicola spanisch mit ihm sprach, wurde sie lebhaft, fast schön. Eleanor rief nach oben, um ihr zu sagen, dass der Schulbus da sei.
    Die Kassette umfasste einen Zeitraum von zwei Wochen. Szenen brachen abrupt ab, wenn Leute sich aus dem Blickfeld der Kamera herausbewegten oder die Kamera ganz ausschalteten. Ein Gespräch, das Eleanor mit einem Gärtner führte, endete unvermittelt, als Baladine Nicola in sein Arbeitszimmer rief. Wir sahen sie eintreten und mit ausdruckslosem Gesicht stehenbleiben. Als sie stumm ihre Kleidung auszog und zusammenlegte, schien sie das als ganz ähnliche Pflicht zu betrachten wie das Aufräumen von Madisons und Utahs Kleidern. Baladine selbst zog sich nicht aus. Es war unerträglich, und ich schaffte es nicht, mir die Szene anzusehen. Als Morrell mich weinen hörte, schaltete er das Gerät aus.
    »Das kann ich nicht in einem Raum voller Journalisten zeigen«, murmelte ich. »Das ist einfach zu intim.«
    »Soll ich die andere Kassette für Sie anschauen und Ihnen dann den Inhalt erzählen?« fragte er.
    »Ja. Nein. Ich glaube, es ist besser, wenn ich sie mir selbst ansehe.«
    Die zweite Kassette war ganz ähnlich wie die erste, abgesehen von der Szene in Baladines Arbeitszimmer. Diesmal bettelte Nicola um Geld zur Bezahlung der Krankenhausrechnungen für ihr Kind, und Baladine erklärte ihr geduldig, dass er ihr genug Geld zahle und sie ganz schön dreist sei, ihn mit einer erfundenen Geschichte um Geld anzugehen. Nicola bot ihm ihren Körper an, aber er lachte sie nur aus. Es war so schrecklich demütigend, dass ich die Bibliothek verließ und draußen auf dem Schulflur auf und ab ging. Als ich zurückkam, hatte Morrell die Kassette bereits fertig angesehen und zurückgespult, Vater Lou war in den Raum gekommen, während ich auf dem Flur hin und her marschiert war.
    »Es war nichts drauf, was mit der Halskette oder der Festnahme zu tun hat. Den Teil müssen wir uns wohl selber ausdenken«, sagte Morrell.
    »Armes Kind«, sagt Vater Lou.»Was für Qualen sie erduldet hat. Ist ihr Chef der Mann, hinter dem Sie her sind?«
    Ich war völlig verschwitzt und erschöpft wie nach einem Marathon und hatte nur noch Kraft zu nicken.
    »Ich weiß immer noch nicht, ob Sie das Richtige tun oder nicht, aber ich werde Ihnen helfen. Sie könnten die Bibliothek hier für Ihre Pressekonferenz verwenden.«
    Ich blinzelte. »Aber wissen Sie, Vater Lou - Baladine hat nicht nur eine Menge Waffen im Arsenal, er zögert auch nicht, sie einzusetzen. Frauen und Kinder sind ihm nicht wichtig. Ich könnte weder für Ihre eigene Sicherheit noch für die der Schule eine Garantie geben. Es sei denn... «
    »Es sei denn was?« fragte Morrell, als ich den Satz nicht zu Ende führte.
    »Es sei denn, ich bringe Baladine dazu, zuerst zu mir zu kommen. Bevor wir die Sache in den Medien präsentieren. Schließlich können wir beweisen, dass Frenada in der Nacht seines Todes an seinem Pool war. Wenn ich ihn zu mir locke, muss ich nicht voller Angst auf seinen nächsten Schachzug warten.«
    »Nein«, sagte Morrell. »Es ist der pure Wahnsinn, sich ihm sozusagen mit entblößter Brust zu präsentieren. Sie wissen, dass Freeman Carter Ihnen den gleichen Rat geben würde.«
    Ich verzog das Gesicht. »Tja, da haben Sie wahrscheinlich recht. Aber ich habe es satt, ständig Angst zu haben. Seit er im Juni Lemour auf mich gehetzt hat, muss ich bei jedem Schritt, den ich tue, aufpassen, und die Zeit in Coolis hat mich nur noch nervöser gemacht. Wenn ich ihm mitteile, dass ich die Kassetten habe, wird er mit ziemlicher Sicherheit kommen, um sie sich zu holen. Und wenn ich die Kirche vorher verlasse, tut er's nicht hier, wo die Kinder in Gefahr wären.«
    »Der beste Weg ist die Pressekonferenz«, sagte Morrell. »Wenn die Journalisten von der Sache mit Coolis und obendrein noch

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