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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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bestimmt.«
    »Stellen Sie ihn in die Garage des Pfarrhauses«, sagte Vater Lou. »Die ist voll mit altem Gerümpel, aber für den Wagen ist sicher noch Platz. Ich zeige Ihnen - wie heißen Sie gleich noch mal? - Mr. Contreras die Garage. Und Sie bringen den Jungen in die Küche. Setzen Sie Wasser für den Tee auf.«
    Robbie und die Hunde liefen zusammen mit mir den Flur entlang zur Küche. Robbie versuchte, nicht allzuviel Angst vor Mitch zu haben, und das rührte mich fast am meisten.
    »Tut mir leid, Ms. Warshawski«, flüsterte er. »Aber sie haben gemerkt, dass Sie nicht Tante Claudia sind. Sie wollten mich in der Strafbaracke einsperren. Ich wusste nicht, wann ich da wieder rauskommen würde. Und außerdem habe ich gedacht, wenn BB Ihnen wieder was Schlimmes antut, weil Sie mich besucht haben, muss ich mich umbringen. Also bin ich weggerannt. Aber jetzt begreife ich, dass er Sie ins Gefängnis stecken kann, egal, was ich mache.«
    »Sch, sch, poverino. Es ist alles in Ordnung. Nun bist du erst mal hier. Erzähl mir die Geschichte, wenn Vater Lou und Mr. Contreras wieder da sind; so hören wir alle dieselbe Version, und du brauchst sie nur einmal zu erzählen.«
    Als die beiden Männer hereinkamen, kochte das Wasser bereits. Vater Lou machte eine große Tasse Kräutertee für Robbie und schwarzen Tee mit Zucker für sich selbst. Ich schenkte mir heiße Milch ein.
    Mr. Contreras winkte ungeduldig ab. »Er ist vor ungefähr einer Stunde völlig fertig vor meiner Tür gestanden, Schätzchen. Ic h wusste nicht, was ich tun soll - wie gesagt, ich hatte Angst anzurufen -, aber ich dachte mir, wenn sie das Haus tatsächlich in irgendeiner Form im Auge behalten, ist es nicht gut, wenn er bei mir bleibt. Wahrscheinlich hätte ich zu Morrell fahren können, aber ich habe befürchtet, dass es ernsthafte Probleme gibt, wenn dieses Schwein Baladine - tut mir leid, Kleiner, er ist dein Vater, ja, aber... «
    »Jetzt mal von Anfang an und in der Kurzfassung«, sagte Vater Lou. »Ich muss in ein paar Stunden eine Messe halten und will nicht die ganze Nacht aufbleiben.«
    Die Geschichte, die Mr. Contreras erzählte, geriet für seine Verhältnisse einigermaßen kurz: Der Lagerleiter hatte Robbie zu sich gerufen und ihn zu meinem Besuch befragt. Robbie war nicht von seiner Aussage abgegangen, dass ich seine Tante Claudia sei, die jüngere Schwester seiner Mutter, aber da hatte der Lagerleiter ihm erklärt, er habe am Sonntag abend nach dem Schwimmwettbewerb sowohl mit BB als auch mit der wirklichen Claudia gesprochen. Robbie war nichts anderes übriggeblieben, als weiter zu behaupten, ich sei seine Tante Claudia. Daraufhin hatte der Lagerleiter gesagt, Robbie müsse ein paar Tage lang in die Strafbaracke, bis Eleanor persönlich komme, um sich mit dem Lagerleiter zu unterhalten.
    »Bei der Reveille habe ich mich dann weggeschlichen. Das war erst heute morgen, aber mir kommt's vor, als war's schon ein ganzes Jahr her. Ich bin einen Graben runter gerannt, der am Lager entlang verläuft, an der hinteren Seite raus und per Anhalter nach Columbia gefahren. Dann habe ich Ihr Geld für den Bus nach Chicago verwendet, aber nicht gewusst, wo ich sonst hin soll außer zu Ihnen in die Wohnung. Es tut mir schrecklich leid, Ms. Warshawski; wenn das bedeutet, dass BB Sie wieder ins Gefängnis schickt, weiß ich nicht, was ich machen soll.«
    Er bekam vor Müdigkeit und Angst ganz große Augen. Vater Lou schnitt eine Scheibe Brot ab und bestrich sie mit Butter.
    »Iß das, mein Junge. Eins verspreche ich dir: Wenn du vor Gericht deine Geschichte wie ein Mann erzählst, schickt niemand sie ins Gefängnis. Doch jetzt ist es Zeit, dass du ins Bett kommst. Du hast einen langen Tag hinter dir. Am Morgen kannst du ausschlafen, aber am Nachmittag wirst du in die Schule gehen. In welcher Klasse bist du? In der siebten? Ich besorge dir eine Uniform - ich habe ein paar extra hier für die Kinder, die zu arm sind, um sich selber eine leisten zu können. Über alles andere machen wir uns später Gedanken.«
    Vater Lou mochte ein bisschen wie Popeye aussehen, aber in seiner Stimme lag die Autorität, die Kinder gehorchen lässt. Robbie beruhigte sich und folgte mir artig zu dem Schlafzimmer gleich neben dem meinen. Ich holte saubere Laken aus einem Schrank und bezog das schmale Bett.
    Aus der Küche hörte ich Bellen und Jaulen. Als ich hinlief, sah ich, dass Mitch zum Helden geworden war: Er hatte in der Speisekammer eine Ratte gefangen. Vater Lou sagte,

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