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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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hochfahren, und setzte sich auf den Beifahrersitz. Er war ein bisschen pummelig und ziemlich klein für sein Alter - ich hatte ihn auf jünger geschätzt als er sein musste -, und er bewegte sich unbeholfen, wie Kinder es oft tun, die man wegen ihrer Größe hänselt.
    »Nach 'nem Polizeiauto sieht der Wagen aber nicht aus«, meinte er mit flacher Stimme.
    Es lag so viel Einsamkeit und Würde in dieser Stimme, dass ich ihn nicht anlügen wollte. »Ich bin nicht bei der Polizei, sondern Privatdetektivin. Und ich habe ein paar Fragen über Ms. Aguinaldo. Klingt fast so, als hättest du sie gut leiden können.«
    »Sie war in Ordnung.« Er zuckte mit den Achseln. »Hat sie irgendwas angestellt?«
    »Nein. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Und selbst wenn, interessiert mich das nicht.«
    Inzwischen waren wir am oberen Ende der Auffahrt angelangt. Hier gabelte sie sich, so dass man entweder zur Garage fahren konnte, die groß genug war für vier Wagen, oder zum Haus, das ausreichend Platz für vierzig Bewohner bot. Ich lenkte den Skylark an den Rand des Weges und stellte ihn hinter einem Mercedes Geländewagen im Wert von hundertfünfunddreißigtausend Dollar ab. Auf dem Nummernschild stand GLOBAL 2. An welchem Luxusgefährt befand sich wohl das Schild mit der Aufschrift GLOBAL 1? Vielleicht an einem Lamborghini?
    Ich hätte dem Jungen gern ein paar Fragen über Nicola Aguinaldo gestellt, hatte aber Skrupel, das ohne Wissen seiner Mutter zu tun. Und ohne ihm vorher gesagt zu haben, dass Nicola tot war. Vielleicht war ich auch einfach nur feige - wer konnte schon wissen, wie sensibel ein Kind auf das Ableben seines ehemaligen Kindermädchens reagierte?
    »Warum sind Sie dann hier?« fragte der Junge.
    Ich zog eine Grimasse »Ms. Aguinaldo ist letzte Woche aus dem Gefängnis ausgebrochen. Bevor sie... «
    »Wirklich?« Seine Miene hellte sich auf »Cool! Wie hat sie das denn gemacht? Oder glauben Sie, ich verstecke sie?«
    Nach dieser Frage machte er ein mürrisches Gesicht. Bevor ich ihm eine Antwort geben konnte, kam ein Mädchen von der Garagenseite des Hauses gerannt und rief »Robbie!« Die Kleine war vielleicht sieben oder acht, die Haare klebten ihr am Kopf, und ihr Badeanzug war patschnass. Im Gegensatz zu ihrem pummeligen blonden Bruder war sie dunkelhaarig und schmal wie ein Windhund.
    Mein kleiner Begleiter starrte geradeaus. Als das Mädchen den Wagen sah, kam es auf uns zugerannt.
    »Robbie! Du weißt genau, dass Mom einen Anfall kriegt, wenn sie dich da drin sieht.« An mich gewandt fügte sie hinzu. »Er soll mehr zu Fuß gehen und nicht die ganze Zeit mit dem Auto fahren. Sie sehen doch, dass er ein Gewichtsproblem hat. Sind Sie die Polizistin aus Chicago? Sie sollen hintenrum fahren, da wartet Mom auf Sie. Sie wollte, dass Rosario Ihnen das Tor aufmacht, wenn Sie kommen, aber offensichtlich hat Robbie Sie schon reingelassen.«
    Robbie stieg aus, während sie mir das alles mitteilte. Die Kleine wiederholte einfach die Kommentare der Erwachsenen, ohne sich selbst Gedanken zu machen. Offenbar hatten sich die Baladines schon so oft mit Fremden über Robbies Gewichtsprobleme unterhalten, dass es ihr ganz natürlich erschien, mir davon zu erzählen. Ich hätte ihm gern etwas Aufmunterndes gesagt, aber er war schon auf der anderen Seite des Hauses.
    »Weißt du, es gibt Schlimmeres im Leben als Übergewicht«, erklärte ich der Kleinen, während ich mit ihr an der Garage vorbeiging.
    »Ja, zum Beispiel Stehlen und ins Gefängnis gesteckt werden. Das hat Nicola gemacht, und da haben wir Rosario für sie eingestellt. Ich war erst sechs, als sie Nicola verhaftet haben, da hat's nichts ausgemacht, dass ich geweint hab'. Ich hab' auch geweint, als Fluffy von 'nem Auto angefahren worden ist.«
    »Du bist ziemlich sensibel, was?« sagte ich voller Anteilnahme.
    »Nein, das ist nur was für Heulsusen. Ich mach' das jetzt nicht mehr, aber Robbie hat wegen Nicola noch geweint, und da war er schon fast elf. Er hat sogar geweint, als Fluffy 'ne toten Vogel angeschleppt hat. Dabei ist das nun mal so in der Natur. Mom! Sie ist hier! Sie hat Robbie im Wagen vom Tor zum Haus mitgenommen!«
    Wir waren mittlerweile an der hinteren Seite der Garage angelangt, wo ein Fünfundzwanzig-Meter-Pool sowie ein Tennisplatz den Baladines Gelegenheit boten, sich von den wie auch immer gearteten Anstrengungen ihres Tages zu erholen. Beide wurden von Bäumen gesäumt, die angenehmen Schatten spendeten.
    Zwei Frauen lagen auf gepolsterten

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