Die verschwundene Frau
Parkplatz lenkte, ging er gerade zu seinem Wagen. Ich rannte zu ihm.
Als er mich sah, blieb er stehen. »Die junge Frau, die im Beth Israel gestorben ist. Bist du deswegen hier?«
Ihre Leiche war noch nicht aufgetaucht; er hatte soviel zu tun gehabt, dass er die Sache völlig vergessen hatte, würde sich aber am folgenden Tag darum kümmern. »Soweit ich mich erinnere, ist das Freigabeformular nicht unterzeichnet worden. Das ist das Problem mit den Bezirksinstitutionen. Die meisten Leute, die bei uns arbeiten, sind gut, aber wir haben immer auch ein paar, die den Job bloß gekriegt haben, weil ihr Papa die richtigen Kontakte hat oder für die Mafia arbeitet. Ich hab' die Sache mit der verschwundenen Leiche dem Sheriff gemeldet, doch eine tote Gefängnisinsassin, die noch dazu illegal im Land war, steht natürlich auf der Liste der zu erledigenden Dinge nicht sonderlich weit oben - schließlich kann die Familie keinen Stunk machen, und selbst wenn sie in der Lage wäre, eine ordentliche Beerdigung zu arrangieren, würde sie es wahrscheinlich nicht tun.«
»Ich glaube nicht, dass Nicola Aguinaldos Familie sich um Beisetzungsfeierlichkeiten gekümmert hat, aber ich habe mit keinem ihrer Angehörigen gesprochen. Ich weiß nicht mal, wo sie stecken. Allerdings hat ein gewisser Morrell Einwanderer in Nicolas altem Viertel befragt. Er behauptet übrigens, dich zu kennen.«
»Morrell? Ja, der ist wirklich toll. Ich habe ihn in Südamerika kennengelernt, als ich mich dort mit Folteropfern beschäftigt habe. Er hat mich in Guatemala aus einer der schlimmsten Situationen gerettet, in denen ich mich je befunden habe. Er weiß einfach alles über Südamerika und die dortigen Foltermethoden. Ich hatte keine Ahnung, dass er in der Stadt ist. Sag ihm doch bitte, er soll mich mal anrufen. Aber jetzt muss ich los.« Er stieg in seinen Wagen.
Ich beugte mich ein wenig vor, bevor er die Tür schließen konnte. »Moment noch, Bryant, Morrell hat mit Nicola Aguinaldos Mutter gesprochen. Sie wusste nicht mal, dass ihre Tochter tot ist, also kann sie die Leiche nicht haben.«
Ersah mich verwirrt an. »Und wer hat sie dann?«
»Ich hatte gehofft, dass du mir da weiterhelfen könntest. Du sagst, das Freigabeformular wurde nicht unterzeichnet. Besteht die Möglichkeit, dass die Leiche noch im Leichenschauhaus ist? Vielleicht haben sie versehentlich den Zettel weggenommen oder verwechselt. Es könnte auch sein, dass ein Chicagoer Polizeibeamter namens Lemour sich die Leiche unter den Nagel gerissen hat. Glaubst du, das ließe sich irgendwie herausfinden?«
Er drehte den Zündschlüssel. »Warum sollte - egal. Nun, möglich ist es. Ich werde der Sache morgen nachgehen.« Dann zog er die Wagentür zu und fuhr davon.
Ich ging zu meiner Rostlaube zurück. Hätte Vishnikov doch bloß den Sheriff nicht informiert! Wenn irgend jemand Interesse daran hatte, die Leiche von Nicola verschwinden zu lassen, dann konnte man sich vorstellen, dass die Leute des Sheriffs am besten wussten, wie man so etwas machte. Aber ich hatte schon genug um die Ohren, um auch noch Ermittlungen im Leichenschauhaus anzustellen.
Ich fuhr nach Hause, um mit den Hunden kurz schwimmen zu gehen und Mr. Contreras zu sagen, dass ich ein paar Tage nach Georgia müsste. Außerdem rief ich bei der Telefongesellschaft an, um ihr mitzuteilen, dass sie alle eventuellen Gespräche bis Montag an Mary Louise weiterleiten solle.
Dann fuhr ich zusammen mit Mary Louise und den Jungen zum O'Hare-Flughafen, um Emily zu verabschieden, die nach Frankreich reisen würde. Sie war aufgeregt und hatte auch ein bisschen Angst, versuchte aber, diese mit besonderer Coolness zu überspielen. Ihr Vater hatte ihr einen Camcorder geschenkt, den sie betont lässig benutzte. Als Nate sah, dass es allmählich ernst wurde, begann er zu heulen. Während wir ihn und seinen schniefenden Bruder trösteten, musste ich wieder an den armen Robbie denken, der seine Trauer um sein Kindermädchen nicht zeigen konnte, ohne von seinem Vater dafür verspottet zu werden.
Am Abend gingen wir mit den Jungen in eine Vorstellung von Captain Dobermann - noch ein Kassenhit von Global. Hinterher besprachen Mary Louise und ich bei einem Eis alle möglichen Dinge.
»Emily hat mir das Versprechen abgenommen, dass du Lacey in ihrer Abwesenheit nicht in Schwierigkeiten bringst«, sagte Mary Louise grinsend. »Aber eigentlich geht's ihr, glaube ich, eher darum, dass sie jedes Wort erfährt, das du möglicherweise mit Lacey
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