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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Transporter stehen und lauschte an seiner Hintertür, um festzustellen, ob sich jemand darin befand, obwohl es wegen des Güter-Zuges schwer war, überhaupt irgend etwas zu hören.
    Dann wartete ich zehn Minuten lang gegenüber vom Eingang der Fabrik, ob sich irgend etwas täte. Oder hatte ich einfach nur Angst, ein altes Gebäude im Dunkeln allein zu betreten? Je länger ich stehenblieb, desto eher würde ich mich versucht fühlen, wieder nach Hause zu fahren, ohne hineinzugehen. Aber was war, wenn es tatsächlich Frenada gewesen war, der mich angerufen hatte? Und was, wenn er wirklich in Schwierigkeiten steckte, möglicherweise verletzt oder gar tot war? Ich holte tief Atem und durchquerte die Straße.
    Die Tür war nicht verschlossen. Es ist eine Falle, Vic, sagte mir diese vernünftige leise Stimme, aber ich schlüpfte seitwärts in das Gebäude, die Waffe in der schweißnassen Hand.
    Drinnen umfing mich die Dunkelheit wie ein schwarzer Mantel. Ich spürte sie in meinem Nacken, und plötzlich war der Schmerz, den ich völlig vergessen hatte, wieder da. Ich bewegte mich vorsichtig in Richtung Treppe, den Impuls unterdrückend, kehrtzumachen und wegzurennen.
    Dann ging ich die abgetretenen Betonstufen eine nach der anderen hinauf und blieb immer wieder stehen, um auf Geräusche zu lauschen. Draußen ratterte der Güterzug. Als er endlich vorbei war, hörte ich wieder die Sirenen und hupenden Autos, so dass ich mich kaum auf das Gebäude konzentrieren konnte.
    Am oberen Ende der Treppe sah ich einen Lichtstreifen unter der Tür von Special-T. Ich ging ein wenig schneller. An der Tür kniete ich nieder, um durchs Schlüsselloch zu schauen, sah aber nur die Beine des langen Arbeitstisches. Schließlich legte ich mich ganz auf den Boden und versuchte, nicht an den Schmutz zu denken, mit dem mein Gesicht in Berührung kam (wie viele Männer hatten wohl schon auf den Beton gespuckt, wenn sie den Raum am Ende eines langen Tages verließen?), während ich mich bemühte, durch den Spalt unter der Tür etwas zu erkennen. Doch ich entdeckte lediglich Stoffballen und zusammengeknülltes Papier. Ich wartete eine ganze Weile darauf, dass sich irgendwo Füße oder ein Schatten bewegte. Als sich nichts tat, erhob ich mich und drückte auf die Klinke. Wie die untere war auch diese Tür nicht verschlossen.
    Wahrscheinlich herrscht in einer Kleiderfabrik immer Unordnung, aber hier bei Special-T sah es aus, als habe ein Wirbelsturm gewütet. Derjenige, der mein Büro auf den Kopf gestellt hatte, war auch hier gewesen. Die langen Tische in der Mitte, auf denen tagsüber der Stoff zugeschnitten wurde, waren jetzt leer; Stoffe, Scheren und Schablonen lagen auf einem Haufen rund um sie herum. Über einem von ihnen brannte Licht; das hatte ich von der Straße aus gesehen.
    Voller Angst, jeden Augenblick über die Leiche von Frenada zu stolpern, bewegte ich mich auf einen kleinen Raum im hinteren Teil zu. Doch dort fand ich nur wieder neues Chaos. Die Vandalen hatten auch diesen Raum brutal auseinandergenommen. Sie hatten ganz offensichtlich nach etwas gesucht: Schubladen waren herausgezogen, und ihr Inhalt hing heraus oder ergoss sich auf den Boden. Eine lose Fliese war weggerissen und zur Seite geschleudert worden. Rechnungen, Musterschnitte und Stoffmuster lagen wüst durcheinander. Die Glühbirnen waren aus der Schreibtischlampe gedreht.
    Ich war mir sicher, dass sich hier irgendwo Beutel mit weißem Pulver befanden, aber ich wollte mich weder allein noch in der Dunkelheit auf die Suche begeben. In Frenadas Büro sah ich mich nach dem Mad-Virgin-T-Shirt um, das mir am Dienstag aufgefallen war. Als ich es unter einem Haufen mit Papier und Stoff nicht fand, ging ich hinaus in den Flur. Vielleicht war Frenada ja auf der Toilette oder im Frachtaufzug. Wenn ich ihn nirgends aufspürte, würde ich wieder verschwinden.
    Die Toilette war auf dem Flur gleich vor der Tür zu Special-T. Daneben befand sich eine Putzkammer, und den Frachtaufzug entdeckte ich auf der der Treppe gegenüberliegenden Seite. Ich hatte die Tür zu der Putzkammer geöffnet und darin nichts Schlimmeres gefunden als einen Mop, der eine Reinigung vertragen hätte, als ich hörte, wie eine Tür aufging und viele Füße so lautlos wie möglich die Treppe heraufhuschten. Gleich darauf ratterte wieder ein Güterzug heran: Wenn sie nur eine Sekunde länger gewartet hätten, hatte ich sie nicht gehört.

Wettlauf nach O'Hare
    Ich schlüpfte aus der Putzkammer. Aber wo sollte ich

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