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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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wir dann zum Wagen gingen, tauchte Elton aus der Dunkelheit auf. »Ich hab' gesehen, dass die Bullen bei dir waren, Vic. Haben sie was gefunden?«
    »Nada. Aber der Sergeant, der bei mir war, wollte mich reinlegen. Wenn du irgendwas Verdächtiges siehst, ruf nicht bei der Polizei an, denn die Leute da könnten gut und gern mit in der Sache drinstecken. Ruf... Kann er Sie anrufen?« fragte ich Mr. Contreras. »Ich bin nicht oft genug daheim.«
    Mein Nachbar war nicht sonderlich begeistert darüber, dass ich ihn mit einem Obdachlosen in Kontakt brachte, erlaubte mir aber widerwillig, seine Telefonnummer auf eine meiner Visitenkarten zu schreiben und diese Elton zu geben. »Es kann ruhig ein R-Gespräch sein«, fügte ich ohne Rücksicht auf Mr. Contreras hinzu. Die Telefongesellschaft verlangt fünfunddreißig Cents Grundgebühr - für Obdachlose ist es noch schwieriger, den genauen Betrag parat zu haben als für die übrigen.
    Als wir zu Hause waren, machte ich mich sofort daran, den Skylark auf eventuelle Drogen zu durchsuchen. Dann holte ich Mitch und Peppy zu mir in die Wohnung und stellte auch diese auf den Kopf. Natürlich schämte ich mich dafür, dass ich so ängstlich war, aber bei dem Gedanken an die Beutel mit dem weißen Pulver bekam ich eine Gänsehaut.
    Mr. Contreras legte unterdessen frische Holzkohle auf den Grill hinter dem Haus und widmete sich dem Hühnchen. Bevor ich mich zu ihm gesellte, rief ich Lotty an, um ihr ein bisschen vorzujammern und mir ein Rezept für meinen verspannten Nacken geben zu lassen. Sie geizte nicht mit Mitleid und versuchte sogar, mich dazu zu bringen, dass ich die Nacht in ihrer Wohnung im siebzehnten Stock verbrachte. Doch ich sagte ihr, dass ich mich in meinen eigenen vier Wänden wohler fühlen und die Hunde bei mir behalten würde, bis sich alles wieder ein bisschen beruhigt hätte.
    »Und die Sache mit deinem Nacken, Schätzchen - am besten nimmst du ein Aspirin und legst dir einen Eisbeutel drauf, jetzt gleich und dann noch mal, bevor du ins Bett gehst. Und bitte ruf mich morgen früh an.«
    Nachdem wir aufgelegt hatten, fühlte ich mich doch allein. Sie hatte mir ein Bett angeboten - warum nur waren mir medizinische Ratschläge lieber als menschliche Wärme? Und Eis, wenn mir die linke Seite meines Halses weh tat? Nun, was wusste Lotty schon von Nackenschmerzen? Ich marschierte in die Küche, füllte einen Tiefkühlbeutel mit Eis und drückte ihn gegen meinen Hals. Als Mr. Contreras mich dann anrief, um mir zu sagen, dass das Hühnchen fertig sei, konnte ich den Hals wieder viel besser bewegen. Das machte mir auch das Denken leichter.
    Die Videoaufnahmen, die ich in meinem Büro von Lemour gemacht hatte - ich musste etwas mit ihnen tun. Auf jeden Fall musste ich eine Kopie an meinen Anwalt schicken und vielleicht eine zweite an Murray. Würde er einen Artikel über den Einbruch schreiben? Wollte ich ihn auf die Probe stellen, sehen, wessen Anweisungen er folgte?
    Nach dem Abendessen ging ich wieder nach oben und spielte die Kassette auf meinem Videorecorder ab. Als ich alles noch einmal sah, kam auch das Gefühl zurück, völlig überrumpelt worden zu sein. Mir wurde flau im Magen, und ich hatte Mühe, mir die ganze Aufnahme anzuschauen, doch den Schluss mit Lemours Telefonat ließ ich ein paarmal abspulen.
    Der Anrufer hatte ihn immer wieder unterbrochen. Lag das daran, dass er Lemours dünne, nasale Stimme nicht mochte, oder hatte es eher etwas damit zu tun, dass Lemour nicht zuviel verraten sollte? Lemours böses Grinsen sowie seine Äußerung, dass er sich schon darauf freue - was auch immer dieses »Darauf« war -, machten deutlich, dass sie einen noch ausgeklügelteren Plan in Reserve hatten. Obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, wie dieser Plan aussehen würde. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, bei Lotty zu übernachten.
    Ich hielt das Band noch einmal an, als Lemour gerade sagte, es sei mein Glückstag, ich könne nach Hause gehen. Er machte eine kurze Pause, bevor er meinte, sein »Chef« habe ihn angewiesen, mich freizulassen. Ein Polizist nennt seinen Vorgesetzten normal erweise nicht »Chef«, sondern bezeichnet ihn mit seinem Rang. Wer also war am anderen Ende der Leitung gewesen? Baladine? Jean-Claude Poilevy?
    Vielleicht konnte man mit einem empfindlichen Gerät sogar die Stimme am anderen Ende hörbar machen. Darüber würde ich mich mit dem Mann von den Cheviot-Labs unterhalten, allerdings wahrscheinlich erst am Montag. Doch für den Fall,

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