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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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dass er auch am Wochenende arbeitete, sprach ich ihm eine Nachricht auf den Anrufbeantworter.
    Dann legte ich die Videokassette in meinen Schranksafe und ging wieder nach unten zu Mr. Contreras, um die Hunde zu holen, die ich nach dem Essen bei ihm gelassen hatte. Anschließend nahm ich ein Aspirin und schlief sofort ein.
    Zwei Stunden später riss das Klingeln des Telefons mich aus dem Schlaf. »Ms. Warshawski? Sind Sie das?« Die Stimme war so leise, dass ich sie kaum verstand. »Ich bin's, Frenada. Sie müssen mir helfen. Sofort. In meiner Fabrik.«
    Er legte auf, bevor ich etwas erwidern konnte. Ich hielt den Hörer noch eine ganze Weile ans Ohr und lauschte auf die Stille am anderen Ende. Nach ein paar Stunden Schlaf war ich plötzlich geistig hellwach. Frenada hatte meine Privatnummer nicht: Als er mich einige Tage zuvor wegen Regine Maugers Kolumne im Herald-Star zur Schnecke gemacht hatte, war er durch meinen Telefondienst an mich weitergeleitet worden.
    Vielleicht hatte er einen von diesen modernen Apparaten, die die Nummer des Anrufers anzeigten.
    Ich schaltete die Lampe auf meinem Nachttisch ein und warf einen Blick auf das Display meines eigenen Hörers. »Anrufer unbekannt«, stand darauf. Also hatte er die Funktion bei seiner Nummer abgestellt. Ich ging ins Wohnzimmer. Mitch und Peppy hatten neben dem Bett geschlafen, doch nun begleiteten sie mich und liefen mir vor den Füßen herum.
    Ich schob sie weg, um meine Aktentasche zu holen, die ich neben dem Fernseher abgelegt hatte, und schlug die Nummer von Special-T Uniforms in meinem elektronischen Notizbuch nach. Als ich sie wählte, klingelte es fünfzehnmal, ohne dass jemand ranging. Und unter der Privatnummer hörte ich nur seine zweisprachige Ansage auf dem Anrufbeantworter.
    »Tja, und was soll ich jetzt machen?« fragte ich die Hunde.
    Mitch sah mich voller Hoffnung an. Ein bisschen joggen, schien er sagen zu wollen. Peppy hingegen legte sich wieder hin und begann, systematisch ihre Pfoten abzulecken, als gebe sie mir den Rat, ein Bad zu nehmen und zurück ins Bett zu gehen.
    »Das ist sicher eine Falle, glaubt ihr nicht auch? Lemours Boss hat ihm gesagt, er soll mich freilassen. Und jetzt wollen sie mich wahrscheinlich in der Fabrik kriegen. Oder steckt Frenada tatsächlich in Schwierigkeiten? Aber warum hat er dann mich angerufen und nicht die Polizei?«
    Die Hunde versuchten besorgt, meine Stimmung aus dem herauszuhören, was ich sagte. Vielleicht hatte Frenada ja ähnlich schlechte Erfahrungen mit der Polizei wie ich und meinte nun, ihr nicht mehr vertrauen zu können.
    Ein klügerer Mensch als ich wäre Peppys Rat gefolgt und zu Hause geblieben. Inzwischen bin ich in der Tat klüger - aus Erfahrungen lernt man -, aber mitten in der Nacht mit diesem übermächtigen Gefühl, das mich zu dem Irrglauben verleitete, ich wäre immer noch dreißig und könnte Bäume ausreißen, zog ich meine Jeans und meine Laufschuhe an, setzte meine Waffe wieder zusammen und steckte sie in das Schulterholster unter mein Sweatshirt, schob meine Zulassung als Privatdetektivin sowie meinen Führerschein und ein paar Dollarnoten in meine Gesäßtasche und schlich mich die Hintertreppe hinunter. Sehr zu meinem Leidwesen ließ ich die Hunde zurück, denn falls ich tatsächlich in eine Schießerei verwickelt würde, wollte ich die Sache durch sie nicht noch komplizierter machen.
    Lemour glaubte also, dass er mich reinlegen konnte, aber ich würde ihm das Gegenteil beweisen. So muss ich in jener Nacht wohl gedacht haben - vorausgesetzt, impulsives Handeln hat überhaupt etwas mit Denken zu tun.
    Ich fuhr an der Fabrik Grand Avenue Ecke Trumbull Avenue vorbei. Aus einem der hinteren Fenster im ersten Stock drang Licht. Für den Fall, dass Lemour mir eine Falle gestellt hatte, verlangsamte ich nicht, sondern bog an der nächsten Kreuzung in südlicher Richtung ab. Ich stellte den Wagen drei Häuserblocks entfernt ab.
    Samstagnachts ist es in der Gegend von Humboldt Park nie ruhig. Auf den Straßen war niemand, aber nicht allzuweit entfernt hörte man Sirenen und das Bellen von Hunden, ja sogar das Krähen von Hähnen. Das hieß, dass irgend jemand ganz in der Nahe einen Hahnenkampf veranstaltete. Ein Güterzug ratterte und tutete in der Ferne. Als er näher kam, übertönte er alle anderen Geräusche.
    Sobald ich das Gebäude erreicht hatte, in dem sich Frenadas Fabrik befand, sah ich es mir so genau an, wie dies in der Dunkelheit möglich war. Ich blieb vor einem alten

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