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Die verschwundene Lady (German Edition)

Die verschwundene Lady (German Edition)

Titel: Die verschwundene Lady (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Earl Warren
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Peter?«
    »Ja. Ich bin da. Selbstverständlich nehme ich mir Zeit für dich und wegen Marion. Ich erwarte dich dann.«
    Der Notar hatte kaum aufgelegt, als es klingelte. Es war der Postbote. Wie ein Sprinter stürmte er die Treppe hinauf.
    »Da, ein Eilbrief, zusätzlich ein Einschreiben.«
    Anne erkannte sofort, von wem der Brief stammte, nämlich von ihrer Mutter. Marion Carmichael benutzte zartblaue Briefumschläge und ebensolches Papier. Auf den Umschlag hinten war in geschwungener Schrift ihr Absender aufgedruckt. Anne unterschrieb für den Erhalt, erhielt den Brief und wollte gerade in ihrer Wohnung verschwinden, als Miss Haggarty erschien, die den Rest der Sechszimmeretage bewohnte.
    » Miss Carmichael, ich muss nochmals mit Ihnen über die von Captain Silver zerstörte Vase sprechen. Ich habe mir das überlegt und ...«
    »Bitte, Miss Haggarty, hat das denn nicht bis morgen Zeit? Ich habe hier eine dringende Nachricht, um die ich mich sofort kümmern muss . Verstehen Sie das?«
    »Na gut, aber allzu lange können wir diese Sache nicht aufschieben. Ihr Kater hat mir einen schweren materiellen und immateriellen Schaden zugefügt. Die Vase befand sich schon seit dem Regierungsantritt der Queen Victoria im Besitz unserer Familie, und ...«
    »Ja, Miss Hagg a rty, ich verstehe Sie ja, und es tut mir auch sehr leid. Ich werde Captain Silver die Meinung sagen.«
    ... bloß versteht mich der Kater so schlecht, hätte Anne hinzufügen können. Sie schloss die Wohnungstür. Miss Haggarty war natürlich brüskiert. Aber das konnte Anne jetzt auch nicht ändern.
    In der Wohnung öffnete sie den Brief ihrer Mutter. Er war handgeschrieben; Anne erkannte die Schrift.
    Der Brief mit dem gestrigen Datum lautete: »Liebe Anne, sicher bist Du erstaunt, dass ich so plötzlich verschwand, und vielleicht auch in Sorge. Das ist unnötig. Ich habe die große Liebe meines Lebens gefunden und bin überglücklich. Gönne mir die Freude, störe mein Glück nicht. Zugegebener Zeit werde ich mich wieder melden. Ich weiß genau, was ich tue. Ich habe mir nichts vorzuwerfen.
    Deine auf Wolken schwebende Mutter.
    P.S.: Beruhige Peter Stanwell, der sicher aus verschiedenen Gründen verstimmt und beunruhigt ist. Es ist alles in Ordnung. Nach Jahren der Trauer soll man mir mein Glück gönnen.«
    Anne drehte den Brief hin und her und betrachtete ihn von allen Seiten. Dadurch entdeckte sie jedoch auch keinen anderen Text darauf. Sie steckte den Brief in die Handtasche, fütterte den Kater, der wie immer vorging, bereitete sich ihr spätes Mittagessen und zog sich um. Dann war es schon Zeit, zu Peter Stanwell zu fahren.
    Anne benutzte diesmal den Doppeldeckerbus. Diesmal hatte sie Miss Haggarty kurz. gesagt, sie möge den Kater in ihrer - Annes - Wohnung lassen. Miss Haggarty hatte beleidigt dreingeschaut und ihre Tür rasch und ziemlich hart wieder geschlossen.
    Während der Busfahrt im Oberdeck versuchte ein junger Mann, der sich für wunder wie attraktiv hielt, mit Anne zu flirten. Sie reagierte nicht. Sie hatte jetzt andere Dinge im Kopf. Der Typ war ihr auch zu aufdringlich. Nach einmaligem Umsteigen gelangte sie zum Belgrave Square. Die Bäume im Parkrondell, um den der Square herumführte, waren bis auf wenige Blätter kahl.
    Eine matte, melancholische Trauer lag über dem Park, in dem Pensionäre spazierengingen, ziellos und mit aller Zeit versehen, die sie früher niemals gehabt hatten. Auf dem Teich in der Mitte des Parks schwammen ein paar Schwäne majestätisch dahin. Düstere graue Wolken hingen über Groß-London.
    Es war November geworden, die Zeit des Absterbens der Natur, der der raue Winter folgte.
    Anne betrat Stanwells Kanzlei. Die Vorzimmerdame führte sie gleich in Stanwells Büro. Anne war pünktlich erschienen. Der Notar ging schon ungeduldig auf und ab. Er begrüßte Anne und entriss ihr jedoch förmlich den Brief, den sie ihm entgegenstreckte.
    »Kein Zweifel, das ist Marions Schrift. Ich erkenne sie. Also geht es ihr gut. Das ist ein Lebenszeichen. Jetzt haben wir keinen Grund mehr, eine Vermisstenanzeige aufzugeben, es sei denn, wir würden den Brief unterschlagen, wozu ich für meine Person nicht bereit bin.«
    »Wie das, Onkel Peter?«
    »Deine Mutter ist ein erwachsener Mensch, dem niemand verbieten kann, aus freien Stücken einige Zeit oder auch für immer einen anderen Aufenthaltsort zu wählen. Deine Mutter ist nicht verpflichtet, ihn dir oder mir zu nennen. Wie es scheint, hat sie triftige Gründe

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