Die verschwundene Lady (German Edition)
Ihrer Mutter ist ein anderer.«
»Lügner!«
Lord Henrys Miene vereiste förmlich.
»Ich habe mit Frauen anscheinend nur Pech und Probleme«, sagte er bitter. »Selbst dann noch, wenn ich ihnen überhaupt nie begegnet bin. - Bitte verlassen Sie mein Schloss . Sollten Sie Gerüchte über mich in die Welt setzen, würde ich mich gezwungen sehen, meinen guten Namen zu verteidigen.«
»Guter Name, pah, dass ich nicht lache! Ein Erbschleicher, Schuft und vielleicht noch Schlimmeres sind Sie, Sie nachgemachter Blaublütler.«
Das ging selbst Stanwell zu weit. Der zaghafte Anwalt litt Höllenqualen bei dieser Szene, während Anne zu großer Form auflief. Er falte sie beim Arm.
»Wir müssen jetzt wirklich gehen. - Bitte, Anne. Das muss man anders regem. Beruhige dich doch!«
»Ja, ich gehe. Aber nur, weil mir der Anblick dieses Lügenlords Übelkeit bereitet.«
Lord Henry drehte sich abrupt um. Anne und Peter Stanwell eilten im Laufschritt aus dem Schloss . Sie stiegen in Stanwells Bent l ey. Der Anwalt war so aufgeregt, dass er den Motor dreimal abwürgte, bevor es ihm endlich gelang, anzufahren. Die Bediensteten von Lord Henry schauten dem abfahrenden Oldtimer-Bentley hinterher. Unterhalb des Schlossbergs , auf einem Weg, der zum Themseufer hinführte, hielt Stanwell an.
»Mir zittern jetzt noch die Glieder«, sagte er. »Anne, du besitzt ja den Mut einer Löwin. Ich hätte Lord Kensington nicht so gegenübertreten können. Meine Waffen sind andere.«
Verstaubte waren es, die über Schriftsätze und in der trockenen Atmosphäre eines Gerichtssaals zum Tragen kamen. Anne war das aufbrausende stürmische Leben. Sie blies sich eine Locke aus der Stirn. Irgendwo in ihrem Herzen gab es ihr einen Stich. Sie sah Lord Henrys Gesicht wie abfotografiert vor sich.
Das ist ein Mann, dachte sie. Er sieht so gut aus, stattlich und männlich. Und dann entpuppt er sich als solcher Halunke. Ach ja, es ist schlecht eingerichtet auf der Welt.
»Wir wissen noch immer nicht, wo meine Mutter ist«, sagte Anne nüchtern. »Ich bin in der größten Sorge. - Wie sollen wir weiter vorgehen?«
»Methodisch und Schritt für Schritt«, antwortete der Anwalt. »Zunächst will ich nachprüfen, ob Lord Henry in den letzten Wochen tatsächlich der Jagdgast des Peers of Northumberton in Schottland gewesen ist. Unsere Arbeit hier ist erledigt. Wir kehren nach London zurück. Von dort haken wir weiter nach.«
Anne war der Meinung, in Walton-on-Thames noch etwas erreichen zu können. Stanwell redete ihr das aus.
»Wenn ein Komplott im Gang ist, ist es gut vorbereitet«, sagte er. »Das kannst du nicht ohne weiteres aufdecken. Zudem würde man dich von jetzt an beobachten. Besser ist es, sich erst einmal zurückzuziehen, und sei es nur zum Schein.«
»Na gut, Onkel Peter. Sehr lange werde ich aber nicht warten. Was mag nur mit Mutter geschehen sein? Womöglich ist sie ermordet worden, um an ihr Vermögen zu gelangen.«
»Um Gottes willen, Anne, male den Teufel nicht an die Wand! Das würde ich Lord Henry als einem Spross einer der ältesten Adelsfamilien unseres Landes nun doch nicht zutrauen.«
»Heinrich der Achte, der zwei seiner sechs Frauen hinrichten ließ, ist auch hochadelig gewesen. Diese Geschichte muss jedenfalls aufgeklärt werden. - Wehe, wenn Lord Henry sich nicht in Schottland aufhielt, wie er behauptet hat.«
5. Kapitel
Man holte nur noch Annes Gepäck im Hotel ab. Sie beglich die Rechnung und reiste ab.
Auf die erstaunte Frage der Hotelbesitzerin antwortete Anne: »Meine Redaktion hat mich zurückgerufen. Das Material über Lord Kensington wird v on London aus vervollständigt.«
»Sie können mich jederzeit anrufen, wenn Sie noch irgendwelche Fragen h aben«, sagte die Hotelchefin, während sie Anne zum Ausgang begleitete. »In welcher Nummer von >Woman ’ s weekly< erscheint der Artikel über Lord Kensington denn?«
»Wenn Sie die Zeitschrift regelmäßig lesen, kann er Ihnen nicht entgehen«, antwortete Anne. »Herzlichen Dank nochmals. Es hat mir in Ihrem Hotel gut gefallen.«
»Erwähnen Sie es doch in >Woman's weekly<. Dann erstatte ich Ihnen die Rechnung zurück.«
»Ich will sehen, was sich einrichten lädt .«
Anne atmete auf, als der Bent l ey davonfuhr. Mrs. Cooper stand freundlich lächelnd vor ihrem Hotel. Anne hatte »Woman ’ s weekly« zumindest für einige Zeit eine eifrige Leserin verschafft. Über das weitere sorgte sie sich nicht. Rechtlich belangen konnte Mrs. Cooper sie nicht, und wenn
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