Die verschwundene Lady (German Edition)
sie Anne die Pest an den Hals wünschte, nun, damit konnte die Studentin leben.
Am Sonnabend herrschte weniger Verkehr in London. Stanwell setzte Anne in St. Pancras bei ihrer Wohnung ab. Er versprach, möglichst s chnell wegen des Aufenthalts von |Lord Kensin g ton In den letzten Woch e n in Schottland recherchieren .
»Das kann aber übers Wochenende dauern. Ich muss verschiedene Kanäle anzapfen. Der Peer of Northumberland ist niemand, den man einfach anruft und fragt, mit wem er zuletzt auf der Jagd gewesen sei.«
»Warum denn nicht ?«, fragte Anne. »Hat er keinen Mund zum Antworten?«
»Du erreichst ihn nicht direkt, das ist das Problem. Da sind zwei oder drei Kontrollstellen davorgeschaltet. Wenn der Peer nicht will, dringst du überhaupt nicht zu ihm vor und kannst nicht mal beweisen, dass du abgeblockt wirst. Überlaß nur mir das. Ich tue mein Bestes. - Wenn ich mich Marion nur früher erklärt hätte! Dann wäre sie jetzt vielleicht schon die Meine und nicht auf diesen Lügenlord hereingefallen. «
Für Peter Stanwell war das ein sehr kühner Gedanke. Anne saß neben dem Anwalt im Auto, dessen Motor lief.
»Den Mutigen gehört die Welt, Onkel Peter. Im kühnen Zugriff eroberst du ein Frauenherz leichter als durch Zaghaftigkeit. Das macht sich leider so mancher Luftikus zunutze. Du hast dein Licht zu sehr unter den Scheffel gestellt. Hoffentlich kannst du es wiedergutmachen.«
»Ja. Wenn Marion etwas zugestoßen ist, werde ich meines Lebens nicht mehr froh. Ich habe sie immer geliebt.«
Anne stieg aus und schaute kopfschüttelnd dem im Nieselregen davonfahrenden Bent l ey nach. Solche Männer gab es also auch noch. Mit seiner platonischen Liebe zu ihrer Mutter war Peter Stanwell vielleicht besser drangewesen, als wenn er sie tatsächlich geheiratet hätte. So konnte es nämlich zwischen ihnen keine Reibereien im täglichen Zusammenleben und keinen Streit geben. Stanwell verbrachte seine Freizeit hauptsächlich in seinem Klub, wo er verköstigt wurde.
Ansonsten sammelte er Gemälde von Joseph Turner, auf die er jedes Mal lange sparte, und fuhr einmal im Jahr zum Angelurlaub nach Schottland. Er hatte Marion Carmichael auf ein Podest gestellt und himmelte sie an, ein Hagestolz, für den die Liebe eine theoretische Übung war.
So konnte man es auch halten. Anne trug ihre Gepäckstücke ins Haus und stieg die Treppen empor. Stanwell hatte sich angeboten, Anne beim Tragen zu helfen, aber das hatte sie abgelehnt. Anne schloss ihre Wohnung auf.
Captain Silver war nicht da. Anne fand ihn nebenan bei Miss Haggarty, die dem Kater die Zerstörung ihrer Sevr é s-Vase verziehen hatte.
»Ich habe den Schaden doch an die Hausratsversicherung weitergegeben«, sagte Miss Haggarty. »Sie sei aus Versehen heruntergefallen, gab ich an, durch wen, nicht. Man kann es mit der Ehrlichkeit übertreiben. Und Captain Silver hat es schließlich nicht mit Absicht getan.«
Der Kater zeigte keine Neigung, Anne in ihr Zwei - Zimmer - Apartment zu folgen. Er verkroch sich unterm Sofa, als die Studentin ihn greifen und hinübertragen wollte. Captain Silver war beleidigt, dass Anne für zwei Tage verreist war.
»Dann bleib eben noch eine Weile bei Miss Haggarty, Captain«, sagte Anne. »Das heißt, wenn er Ihnen nicht zur Last fällt, der Schwerenöter. Ich gebe Ihnen noch zwei Pfund für sein Futter, das Sie zuletzt aufgewendet haben.«
»Aber ich bitte Sie, Miss Carmichael, das ist wirklich nicht nötig. Ich bin froh, wenn mir das liebe Tier Gesellschaft leistet. Verreisen Sie in der nächsten Zeit wieder?«
»Das weiß ich noch nicht. Momentan habe ich es nicht vor, aber es könnte sich rasch ergeben. Zum Glück habe ich jetzt Semesterferien und bin zeitlich ungebunden.«
»Die jungen Leute, immer unterwegs. Je älter man wird, desto weniger bewegt man sich. Zuletzt im Sarg überhaupt nicht mehr.«
»Sie sind noch so vital und rüstig, Miss Haggarty, daran brauchen Sie noch lange nicht zu denken!«
»Trau, schau wem. Das kann mal ganz schnell gehen. Wie geht es Ihrer Frau Mutter? Ich habe lange nichts mehr von ihr gehört.«
Miss Haggarty kannte Annes Mutter flüchtig von seltenen Besuchen Mrs. Carmichaels im Haus. Sie erkundigte sich immer wieder mal nach ihr.
»Soweit ganz gut«, antwortete Anne, die ihre Vermieterin nicht einweihen wollte. »Sie läßt Sie grüßen. - Entschuldigen Sie mich jetzt. Ich bin müde von der Reise und will mich umziehen und ein Bad nehmen.«
Captain Silver äugte unter dem Sofa hervor,
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