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Die verschwundene Lady (German Edition)

Die verschwundene Lady (German Edition)

Titel: Die verschwundene Lady (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Earl Warren
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halb auf dem Bürgersteig. Anne schloss wenig später die Haustür auf, und sie stiegen die Treppen hoch. Es roch muffig in dem schlecht gelüfteten Treppenhaus. Im dritten Stock, wo Anne wohnte, war die Etagenbeleuchtung ausgefallen.
    Anne lauschte vor ihrer Wohnungstür. Kein Laut war zu vernehmen, auch nicht aus der Wohnung von Miss Haggarty. Die alte Dame, eine leidenschaftliche Frühaufsteherin, schlief vermutlich bereits. Michael stand neben Anne und lächelte ein wenig spöttisch.
    Die Studentin schloss die Wohnungstür auf, stieß sie auf, wie sie es in Krimmalfilmen gesehen hatte, statt gleich einzutreten, und knipste dann das Licht in dem engen Flur an. Nichts regte sich. In der Diele sah alles so aus wie sonst.
    »Soll ich mal nachsehen ?«, fragte Michael.
    »Ich gehe schon. Folge mir.«
    Anne betrat ihre Wohnung. Links
    war das Wohn-, rechts das Schlafzimmer. Daneben das Bad. Die Kitchenette gehörte mit zum Wohnzimmer und war durch eine Schrägwand mit Durchreiche nur auf einer Seite abgeteilt. Anne lauschte, aber nur der Klang eines davonknatternden Motorrads war von der Straße vorn zu hören.
    Michael schaute befremdet drein. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt, selbst beunruhigt jetzt, und nahm eine angespannte Haltung ein.
    Anne öffnete die Wohnzimmertür. Ein kalter Luftzug streifte sie. Das Fenster stand offen, obwohl Anne sicher war, es bei ihrem Weggehen geschlossen zu haben. Die Gardine bewegte sich in dem Luftzug, »Ist da jemand ?«, fragte Anne. »He, Captain Silver, du alter Räuber, bist du nicht zu Hause?«
    Sie vermutete, dass der Kater bei Miss Haggarty sei, die einen Schlüssel für Annes Wohnung besaß. Sonst hätte der Kater sich schon gemeldet. Wenn seine Herrin heimkehrte, zeigte er sich sonst in den allermeisten Fällen, mauzte und strich ihr um die Beine.
    Jetzt jedoch herrschte eine Grabesruhe in der Wohnung. Anne ging zum auf den Hof führenden Fenster, um es zu schließen. Da sah sie etwas Schwarzes auf dem Flauschteppich unterm Tisch vor der Couch liegen. Es war Captain Silver. Die viere von sich gestreckt, lag der Kater auf der Seite. Sein Maul stand offen. Ein Blutsfaden sickerte hervor.
    Die Augen des Katers waren weit aufgerissen und zeigte die Starre des Todes. Anne sank in die Knie. Sie spürte die zum Fenster hereinwehende Kühle nicht mehr.
    Sie hatte ihre Katze gern gehabt. Captain Silver, diesen munteren Gesellen, der immer neue Streiche ausgeheckt hatte. Er konnte nicht auf natürliche Weise gestorben sein. Man hatte ihn sicher vergiftet. Anders konnte es nicht sein.
    Und jener Fremde im Trenchcoat, der nächtliche Anrufer, der nie sein Gesicht zeigt, musste dahinterste c ken. Er hatte Anne aus dem »Athenäum« nach Hause geholt, damit sie den toten Kater fand. Anne konnte nicht anders. Sie musste weinen. Es war so gemein, dass man ein harmloses Tier umbrachte, nur um sie zu erschrecken.
    Michael stand betreten dabei. Er wollte das Fenster schließen. Doch Anne hielt ihn zurück.
    »Einen Moment.«
    Sie stand auf, trat ans Fenster und schaute hinaus. Die Lichtglocke von London erhellte die Nacht. Dünne Nebelschwaden zogen über den Hinterhof, in dem der kahle Baum gespenstisch die Zweige reckte.
    Kein Mensch war mehr unten zu sehen. Die Feuerleiter führte ein Stück entfernt an Annes Schlafzimmerfenster vorbei. Auf dem schräg verlaufenden Mauersims konnte ein geschickter Kletterer leicht herübergelangen. Der hölzerne Fensterrahmen wies eine kleine Einbuchtung auf.
    Anne hatte ihr Schlafzimmerfenster mit einer Spezialarretierung gesichert, damit man da nicht von der Feuerleiter aus einsteigen konnte. Das hatte in dem Fall nichts genutzt. Der Katzenmörder war über den Sims gestiegen. Fürs Öffnen des Wohnzimmerfensters musste er einen Sperrhaken oder ein ähnliches Spezialwerkzeug benutzt haben.
    Er hatte nicht mehr zu tun brauchen, als Captain Silver einen vergifteten Leckerbissen hinzuwerfen. Das arme Tier war dann unter großen Qualen gestorben, wie Kratzspuren im Teppichboden und an der Tapete bewiesen.
    Anne schloss das Fenster. Sie war ganz blass geworden.
    »Ich weiß, wie man an so einem Tier hängen kann«, sagte Michael. »Ist er vergiftet worden?«
    »Davon bin ich fest überzeugt.«
    »Wende dich an den Tierschutzverein und an die Polizei. Man muss Captain Silvers Mageninhalt analysieren lassen. Dann kannst du Anzeige erstatten.«
    »Gegen wen? Gegen unbekannt? Wem sollte das nützen? Davon wird Captain Silver auch nicht wieder lebendig.

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