Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht
definitive Aus, das sie ihren Freundinnen mehrmals angekündigt hatte, schien ewig auf sich warten zu lassen. Es war erst dann so weit, als sie es nicht mehr ertrug, ihnen ihre Rückfälle zu gestehen.
»Ich konnte nicht von ihm lassen«, sagte sie. »Ich brachte ihn einfach nicht aus meinem Kopf.«
Marta Meana, Professorin für Psychologie an der University of Nevada in Las Vegas, schlug, kurz bevor ich ins Flugzeug stieg, um sie zu treffen, vor, wir sollten doch als Erstes gemeinsam eine Show des Cirque du Soleil in einem der Casinos besuchen. Also saÃen wir, nachdem ich in Las Vegas gelandet war, in einem abgedunkelten, halbkreisförmigen Saal und begannen unser Gespräch, während zwei barbusige Dunkelhaarige in Stringtangas auf der Bühne rückwärts in ein riesiges, mit Wasser gefülltes Champagnerglas tauchten. Die Frauen sprangen von gegenüberliegenden Seiten in diesen Pool, schwammen aufeinander zu und umschlangen sich aalgleich. Dann glitten sie die Wände entlang, bogen den Rücken durch und pressten ihre Brüste gegen das Glas.
Als Nächstes kam eine zierliche Blondine wie ein Schul mädchen hüpfend auf die Bühne. In einem minikurzen Faltenrock schwang sie die Hüften und hielt auf diese Weise mehrere Hulahoop-Reifen in Bewegung. Plötzlich riss ein Seil sie über dem Publikum in die Luft. Es war der Höhepunkt ihres Auftritts, ein symbolischer Akt. Die Kindfrau spreizte über unseren Köpfen die Beine weiter, als es für einen Menschen möglich schien. Die Bewegung hatte etwas fast Gewalttätiges.
Danach lieà eine sehnige Schwarze, die nur mit Perlen bekleidet war, ihren schimmernden Körper zu Afro-Beats zucken. Diese Softporno-Nummern folgten rasch aufei nander, wobei die Bühne von fesselnden Frauen beherrscht wurde. Im Publikum dagegen waren beide Geschlechter etwa gleich stark vertreten. Am Ende rief die Zeremonienmeisterin mit platinblonder Perücke: »Wo bleibt das Muskelpaket?« Da kletterte ein langhaariger Mann mit Cowboyweste und Chaps durch eine Falltür. Er stolzierte auf und ab, drehte sich und lieà sein Sixpack sehen. Dann legte er die Chaps ab, und nur sein Genital war noch bedeckt, während er in Cowboystiefeln dastand und seine Pomuskeln anspannte. Aber selbst in diesen wenigen Minuten männlicher Nacktheit war der Cowboy von einem Dutzend Frauenkörpern umgeben.
Meana, Anfang 50, trug ein Hemdblusenkleid mit Leggings und ihr dunkelblondes Haar als Ponyfrisur. Sie zweifelte nicht an den üblichen Begründungen dafür, warum deutlich mehr Frauen als Männer auf der Bühne zu sehen waren, fand sie aber auch nicht sehr erhellend. Diese Erklärung lautet: Mehr männliche Nacktheit auf der Bühne würde bei den Herren im Publikum Unbehagen auslösen. Für sie â oder zumindest für die heterosexuellen unter ihnen â musste der Cowboy sogar von Brüsten umgeben sein. Und für die Zuschauerinnen bediente die weibliche Nacktheit eine Sucht â das eigene Aussehen mit ikonenhafter Schönheit zu vergleichen. So waren die zahlenden Besucher bestimmt dankbar dafür, eine Live-Version davon zu sehen zu bekommen, was sie millionenfach von Bildern auf Plakaten, in Zeitschriften oder im Fernsehen kennen: für die Herren eine Gelegenheit zu begehren, für die Damen eine Gelegenheit zu vergleichen.
Meana erkannte in dem Ungleichgewicht auf der Bühne aber noch mehr. Dabei ging sie von etwas aus, das auch Chivers mithilfe des Plethysmographen herausgefunden hatte, als der Adonis mit dem baumelnden Penis am Strand Steinchen ins Wasser warf. »Der weibliche Körper sieht immer gleich aus, ob er erregt ist oder nicht. Der männliche kündet dagegen ohne eine Erektion von fehlender Erregung. Der Frauenkörper bedeutet im Vergleich immer ein Versprechen, den Vorschlag zum Sex.« Diese Suggestion spricht beide Geschlechter an.
Und dann wirkt das Missverhältnis noch auf andere, entscheidende Weise â und genau hierin sieht Meana die Krux. Im Grunde ihres Herzens will jede Frau begehrt werden. Narzissmus â sie verwendet den Begriff nicht im negativen Sinne, um zu verurteilen, sondern rein deskriptiv â bildet in Bezug auf Sexualität den Kern der weiblichen Seele. So betrachteten die Frauen im Publikum, erotisch angeturnt, gebannt die Frauen auf der Bühne und stellten sich vor, ihre eigenen Körper würden genauso glühend
Weitere Kostenlose Bücher