Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht
oder Gene?
Wenn wir an Deidrah zurückdenken, dann lässt sich ein enormer sozialer Einfluss erkennen. Wie sonst lieÃe sich der riesige Unterschied zwischen Deidrahs aggressiver Sexualität, ihrer Jagd auf Partner und der Sehnsucht von Frauen, begehrt und letztlich auch gejagt zu werden, erklären? Männer haben Mädchen und Frauen zu Objekten degradiert. Mädchen und Frauen leben in einer männlich dominierten Welt und haben die Perspektive der Männer zu ihrer eigenen und sich selbst zu Objekten gemacht. Hat also nicht die Gesellschaft Deidrahs Trieb genommen und ihn bei Frauen teilweise unterdrückt und völlig neu gestaltet?
Was die Rolle der Psyche angeht, so hält Meana es für möglich, dass sie sich dem gesellschaftlich Erworbenen angepasst hat. Beim Zusammenspiel von Natur und Erziehung setzt sie eher auf das, was angeboren ist. Aber bei der Unterscheidung muss man behutsam vorgehen. Meana wusste, dass es keine Möglichkeit gab, das Angeborene im Vergleich zum Erworbenen zu messen, zumindest vorläufig noch nicht. Es gab keine Möglichkeit, den Anteil seiner Rolle am Narzissmus, an Vergewaltigungsfantasien in Prozenten zu messen. (Eine ganze Reihe populärpsychologischer Werke erklärt voller Ãberzeugung, es gäbe bei Männern wie Frauen eine alles entscheidende Verbindung zwischen angeborenen Testosteronspiegeln und zahllosen Formen von Aggres sion und Passivität â darunter natürlich vor allem sexuelle Spielarten. Genetische Faktoren geben Jungen und Männern deutlich mehr Hormone, was man im Blut messen kann und was sie deutlich aggressiver macht. Doch unter den zahlreichen Problemen, die diese verführerisch simple Logik mit sich bringt, gibt es auch eines, das wiederum Deidrah liefert. Im Vergleich zu männlichen Rhesusaffen ist der Testosteronspiegel der Weibchen so niedrig wie der von Frauen im Vergleich zu Männern. Trotzdem schmeiÃen die RhesusWeibchen beim Sex die Show, zetteln Kriege an und beherrschen die Rhesusaffenwelt.)
Meanas intuitive Tendenz zum Angeborenen verstärkte ihr Unbehagen im Hinblick auf die Hinterhof-Fantasie. Wenn man auf die Genetik setzte, gab es kein Entrinnen, denn dadurch war der damit verbundene Reiz etwas Fundamentales.
Chivers befand sich in einem ähnlichen Dilemma. Sie erkannte zwar, dass die Gesellschaft unerbittlich die weib liche Sexualität manipuliert, doch entsprach es ihrem Selbstverständnis, darüber hinaus zu schauen, weiterzuforschen und zu untersuchen, was sich auÃer Reichweite der Gesellschaft befand. Das zwang sie zur quälenden Auseinandersetzung mit dem Thema Vergewaltigung. Sie wusste von den Ergebnissen eines aktuellen Experiments einer engen Kollegin: Die Durchblutung der Genitalien schoss in die Höhe, wenn den Probandinnen im Labor Vergewaltigungsszenen geschildert wurden. (Ein Experiment, das sie selbst durchführte, bewies ebenso, dass mit Furcht oder Euphorie verbundene Situationen keine verstärkte vaginale Durchblutung auslösen, wenn nicht Sex im Spiel ist. In einem Vergleich zeigte sie den Probandinnen die Videos einer Frau, die einmal von einem Vergewaltiger und einmal von einem tollwütigen Hund eine Treppe hinaufgejagt wird. Nur die sexuell konnotierte Szene zeigte Wirkung auf die Genitalien.) Sie beschäftigte sich auch mit Studien über Opfer, die während sexueller Ãbergriffe nicht nur Lubrikation, also Feuchtwerden, sondern manchmal auch Orgasmen erlebten. Aus ihrer Zeit nach der Promotion in Toronto â wo sie als Therapeutin gearbeitet hatte â erinnerte sie sich auch an Ãberlebende von Vergewaltigungen, die ihr gegenüber eigene Erregung, eigene Orgasmen gestanden hatten.
Wie war das zu verstehen? Wie sollte man diesen qualvollen Beweis begreifen? War da etwas tief Einprogrammiertes, etwas Innewohnendes am Werk?
Chivers schien es so. Daher half sie dabei, eine beruhi gende Theorie zu erarbeiten: In prähistorischen Zeiten waren Frauen permanent Opfer sexueller Angriffe. Daher entwickelte sich die Fähigkeit zu automatischer Scheidenfeuchtigkeit als Reaktion auf alle Arten sexueller Ãbergriffe genetisch als Schutz vor Rissen in der Vagina, vor Infektionen, gegen Unfruchtbarkeit oder Tod. Erregung im Genitalbereich muss also nicht Verlangen bedeuten, argumentierte sie, sondern es könnte sich eher um den Bestandteil eines rein reflexhaften, erotisch neutralen Systems handeln. Dieses System mag zwar mit
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