Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht
würden sich das Training und die Spiele trotzdem gelohnt haben, sofern sie die zwölf Basics des Basketball erlernt oder zumindest deren Bedeutung erkannt hätten. Seiner Ansicht nach war auch das Leben an sich eine Frage der Grundlagen. Und er hoffte, den Kids nicht nur für den Sport, sondern auch für später etwas mitzugeben. Von Beruf war er Jurist einer Firma. Aber auf die Trainings der Blazers jeden Mittwochabend und auf ihre Spiele am Samstagvormittag freute er sich deutlich mehr als auf irgendwas in seinem hoch bezahlten Job.
Auch Alison kannte die zwölf Basics auswendig, oder zumindest neun, denn immerhin hatte sie vor vier Jahren, als ihr Sohn Derek seine Basketballkarriere begonnen hatte, neun aufsagen können. Doch vor zwei Jahren hatte Derek aufgehört. Seither waren Alisons Erinnerungen an die Grundlagen rapide geschwunden.
Derek hatte aufgehört, nachdem ihm in der vierten Klasse klar geworden war, dass er sich besser als eine Art Mädchen für alles, Punktezähler und inoffizieller Handtuchjunge der Mannschaft seines Vaters eignete â aber einfach keinen besonders guten Spieler abgab. Er war nicht nur kleiner und rundlicher als seine Teamkollegen, sondern auch langsamer und nicht so gut in der Koordination. Er besprach das ganz sachlich mit seinen Eltern. Als er meinte, er würde lieber eine Aufgabe »im Hintergrund« übernehmen, lachten sie zunächst, redeten dann mit ihm über seine Entscheidung, umarmten ihn und waren einverstanden. Trotzdem hatte Alison schon in seiner ersten Saison mit der neuen Aufgabe nach und nach aufgehört, zu den Trainings und bald auch zu den Spielen zu kommen. Wegen ihrer eigenen Arbeit als Anwältin, wie sie Mann und Sohn erklärte, und wegen Dereks jüngerer Schwester, die langsam alt genug für eigene Termine war. Alison hatte sich jedoch selbst im Verdacht, und zwar mit ziemlich schrecklicher Gewissheit, dass sie sich erstens den Anblick ihres Sohnes ersparen wollte, wenn er den Jungs und Mädchen der Mannschaft (sie spielten in der gemischten Liga) Handtücher um die Schultern legte. Zweitens die geflöteten Komplimente anderer Mütter für ihren Sohn. Vor allem aber, mied sie ein neues â oder zumindest teilweise neues â Bild von Thomas. Sie wollte einfach nicht sehen, wie er die Box-out-Technik erklärte oder im Chaos einer Pause den Fortgang des Spiels auf seinem Clipboard skizzierte.
Kurz bevor Dereks zweite Saison mit der neuen Aufgabe begann, bat er seine Mutter, zum Eröffnungsspiel zu kommen. Nachdem Thomas am Samstagmorgen Pancakes gebacken, die Küche wieder aufgeräumt hatte und mit Derek zum Sportzentrum vorgefahren war, half Alison also Dereks Schwester, sich hübsch anzuziehen, und fuhr den beiden mit ihrem Wagen nach.
Ein Kreis und eine Linie definieren in der Sexualwissenschaft eine Debatte, und zwar über den natürlichen Verlauf und die Geschwindigkeit weiblichen Verlangens. Dieser Disput ist eng mit einer Frage verknüpft: Wie gut tun Ehe und Monogamie der Libido von Frauen?
Rosemary Basson, Allgemeinmedizinerin und Professo rin für Psychiatrie und Gynäkologie an der University of British Columbia, entwickelte und zeichnete den Kreis vor über zehn Jahren für ihre Patientinnen und Paare, für Frauen, die den Verlust ihrer Lust fürchteten. Sie ist inzwischen 60 und trägt ihr braunes Haar in einem kurzen Stufenschnitt. Als wir uns bei einem Kaffee in ihrem Büro in Vancouver unterhielten, trug sie einen weich flieÃenden Rock mit Blättermuster, der ihr etwas fast Ãtherisches gab. Trotzdem strahlte sie auch eine gewisse Strenge, Ernsthaftigkeit aus. Als Internistin hatte sie in England begonnen, sich für das Thema Lust zu interessieren, nachdem sie einer Station mit Wirbelsäulenverletzungen zugeteilt war, wo es ständig Neuzugänge von Männern gab, die nach einem Motorradunfall querschnittgelähmt waren. Hin und wieder wurde sie von einem Mann, der den Mut dazu fand, gefragt, wie â und ob â er jemals wieder Sex haben könne. Sie bat ihren Vorgesetzten um Rat. »Wechseln Sie das Thema«, empfahl der ihr. Sie erinnert sich bis heute an seinen Ton: streng, panisch. Seit damals setzt sie sich mit dem Thema auseinander.
Mit einem Stift zeichnet sie für mich ihre kreisförmige Grafik. Stolz erinnert sie sich dabei an dessen erste Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift. Zu dem Zeitpunkt war
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