Die Verstoßenen (Verlorene Erinnerungen) (German Edition)
Worte. Sie lächelte auch.
„ Mir tut es leid. Ich war dumm, ich wollte nicht wütend sein,
ich hatte nur Angst. Es tut mir leid. Ich bin wirklich froh, dass du mir
hilfst“, hauchte Ceela ehrlich, ruhig, sanft zu ihm nach oben. Sie drehte ihren
Kopf hinter sich zu Grace, die gerade gehen wollte.
„Und ich bin auch dankbar, dass du mir hilfst.“
Verlegen lächelte Grace. Ihre Wangen bekamen einen rosigen Ton.
„Ich helfe dir gerne“, sagte sie liebevoll.
„Ich bin übrigens Jay.“ Er reichte ihr die Hand.
„Grace“, antwortete sie, immer noch verlegen.
Er sah gut aus. Grace lächelte ihn an. Er musterte sie. Ihr warmes
Lächeln ließ auch ihn verlegen werden. Ceela konnte es nicht sehen, konnte es
nicht wissen, nicht spüren. Sie lächelte trotzdem. Jays Blick schweifte zu ihr
hinüber und verharrte dort. Er musterte ihre neue Kleidung, die enge Hose
betonte ihre schmalen Beine. Sie sah hübsch aus, ihre Narben konnten sie nicht
entstellen. Er erkannte, dass die beiden dieselbe Kleidung trugen und fragte
interessiert nach, wie sich kennen gelernt hatten. Ceela erschrak. Sie wollte
nicht, dass er sie als das nervliche und emotionale Wrack ansah, das sie eben
noch gewesen war. Doch sie konnte es nicht verhindern. Grace begann zu
erzählen. Zu Ceelas Überraschung aber eine ganze andere Geschichte. Sie
erzählte, es wäre keine Umkleide mehr frei gewesen und da hätte sie an einer
schon besetzten geklopft und gefragt, ob sie sich mitumziehen könnte und Ceela
hätte sie herein gelassen. Da seien sie ins Gespräch gekommen und hätten sich
auf Anhieb gut verstanden. So überlegten sie kurz und zogen dann dasselbe an.
Eine gute Geschichte, eine gute Lüge. Ceela war so dankbar. Sie lächelte Grace
anerkennend an. Da hatte sie einen guten Menschen kennen gelernt. Einen
wirklich guten.
Ein Mädchen winkte Grace zu sich, ein wenig panisch, hilflos, aber auch
glücklich und bedeutete ihr, zu ihr zu kommen. Sie kannten sich bestimmt. Fragend
blickte sie zu Jay, ihn ihrem Blick ruhte, was gesagt werden musste, ob sie
gehen konnte. Jay nickte zustimmend, dann ließ auch er sich auf einem Sitz
nieder. Ceela nahm neben ihm Platz. Der Bus fuhr schon eine ganze Weile,
während sie geredet hatten. Verträumt blickte Jay aus dem Fenster. Er wurde
nicht mehr von Schuldgefühlen geplagt, endlich hatte er mit ihr darüber
gesprochen. Er musste einfach, er hätte es nicht ertragen können, zu schweigen,
still da zu sitzen, während seine Worte ungesagt blieben. Es hatte nicht
ungesagt bleiben dürfen. Er war froh darüber, dass sie nicht mehr wütend war.
Sie war ihm auf eine bestimmte Art wichtig, wie genau wusste er nicht so recht,
er fühlte sich ihr einfach nur verbunden. Er kannte sie noch nicht lange, doch
er spürte es. Die Landschaft zog langsam an ihm vorbei. Sein Spiegelbild war
verschwommen in der Scheibe zu erkennen. Seine Augen waren müde und sein Kopf
brummte. Es war wie ein Stechen, das seinen Kopf jedes Mal aufs Neue
zusammenzucken ließ. Er ignorierte den Schmerz und konzentrierte sich auf die
Aussicht. Der dichte Wald wurde langsam immer offener, immer weiter, die Bäume
wurden weniger. Dennoch traten immer weniger Sonnenstrahlen durch die löchrige
Blätterdecke. Nur noch sanft und zurückhaltend strahlten sie den Konvoy an, der
unbeholfen über den Waldweg rappelte und jedes noch so kleine Tierchen
aufscheuchte. Die Vögel, die kleinen Mäuse, auch Insekten, flohen vor dem
lauten, dröhnenden Knattern der alten Motoren. Es fing bald an zu dämmern. Die
Lichter im Bus gingen an.
Jay sah sich um, fokussierte die verschiedenen Gesichter, die
verschiedenen Personen. Da waren die hässlichen Leute, die dicken, die deswegen
verbannt wurden. Da waren aber auch die kranken, verstümmelten oder bei
Unfällen entstellten Personen. Doch sie waren seltener. Es war traurig, dass
Menschen wegen ihres Aussehens verbannt wurden. Konnte das Niveau der Regierung
noch weiter sinken? Konnte ihre öffentliche Demütigung solcher Menschen noch
steigen? Was waren ihre Ziele, was brachte ihnen das? Es gab keine perfekte
Welt, warum konnten sie das nicht einfach akzeptieren. Man konnte Menschen doch
nicht einfach so aus ihrem Leben reißen und sie kaltblütig absterben lassen. Es
würde immer neue, und auch immer noch neue hässliche , Leute geben. Daran
konnte die Regierung rein gar nichts ändern. Was wollten sie denn tun, wenn die
Reservate nun einmal voll wären und kein Platz mehr für neue Bewohner wäre? Sie
konnten
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