Die Verstoßenen (Verlorene Erinnerungen) (German Edition)
die Menschen ja schlecht wie Dominosteine stapeln. Er wusste es nicht,
konnte es nicht nachvollziehen. Sein Kopf brummte noch stärker vom vielen
Nachdenken, es hämmerte und er dachte sein Kopf würde gleich platzen, doch er
gab sich den Schmerzen hin und wurde plötzlich ganz müde. Die Müdigkeit
überwältigte ihn schließlich und trug alle Schmerzen und Sorgen mit sich fort,
nur, um sie am nächsten Tag mit mindestens derselben Grausamkeit wieder in sein
Leben zu rufen…
Kapitel 8
Die Tage vergingen wie im Flug, alle gleich. Fahren, schlafen. Doch es
war nie langweilig. Er hatte Ceela und da war auch noch das nette neue Mädchen,
Grace, die aber meistens bei ihrer Freundin war. Er unterhielt sich immer mit
den beiden über belangloses. Egal, es war eine angenehme Abwechslung zur
einfachen Busfahrt. Sie lachten oft, viel. Lachten, bis die Tränen kamen und
sich der Magen verkrampfte. Einige Leute gesellten sich zu ihnen, kamen und
gingen wieder. Keiner blieb lange da, es war als würden die meisten von ihnen
es überhaupt nicht erst versuchen, sich bemühen, aus der Trauer, Wut und Hoffnungslosigkeit
vielleicht Freude zu machen. Sie kämpften nicht darum, es war ihnen egal. Sie
hatten sich damit abgefunden, in die Reservate zu fahren und so schnell wie
möglich zu sterben, damit sie ja nicht leiden. Sie waren schon tot. Jetzt
schon. Ihre Körper saßen reglos da, während ihre Seelen schon längst ganz
woanders waren. Man musste doch kämpfen, er würde kämpfen. Das dachte er
zumindest…
Doch etwas veränderte sich die letzten Tage. Als er aus dem Fenster
blickte, jeden Tag aufs Neue, war da nichts, nur der karge Wüstenboden, die
kleinen Staubwölkchen, die ein leichter Wind gelegentlich aufwirbeln ließ.
Diese trostlose Umgebung zehrte an Jays Freude. Er wusste nicht wie, doch sie
fuhren nun schon seit Tagen durch dieselbe Landschaft. Das Lachen war
vergangen. Seinen Platz nahm das Schweigen ein. Was gab es noch zu erzählen? Er
blickte stundenlang aus dem Fenster, nur um am Ende verzweifelt festzustellen,
dass sie sich immer noch in demselben öden Loch befanden, wie schon vor Tagen.
Dieses Nichts, diese Leere ging von der Landschaft in Jay über. Seine Sinne
stumpften ab, seine Gefühlen blieben bei einem konstanten „alles egal“-Zustand
und er war gelangweilt, genervt von diesem Ort. Und gerade hier, an diesem
Platz, der dem Ausblick der vergangenen Tage bis aufs kleinste Detail ähnlich
sah, blieben sie stehen. Der Bus stoppte ruckartig. Wo waren sie? Was wollten
sie hier? Das Reservat war noch nicht zu sehen. Er hatte es sich immer
vorgestellt, wie ein Ferienpark, nur dass die Bungalows verwaiste Hütten waren
und es kein Spa oder Wellnesscenter gab. Hier war absolut nichts davon zu
erkennen, nur der sandige Boden und die drei Busse, die nebeneinander standen
und die Motoren abschalteten. Jay blendete alles aus, es war ihm egal, was nun
passierte. Er war zu müde, um darüber nach zu denken.
„Jay, was ist los? Warum fahren wir nicht mehr? Wo sind wir?“, fragte
eine leise ängstliche Stimme neben ihm.
Er fuhr herum. Ceela. Wie konnte er Tage nichts mit ihr geredet haben?
„Äh, ich weiß es nicht. Wir sind irgendwo in der Wüste, schon seit
Tagen, ich weiß nicht, warum wir anhalten“, sagte er verwirrt.
Er zerbrach sich nun doch den Kopf darüber. Wie konnte diese Landschaft
solche Spuren hinterlassen. Es war doch nur trockene Wüste, hitzige Luft und
die glühende Sonne, nichts. Doch genau das war es, was diesen Ort so
unerträglich machte, eben dieses Nichts . Es verwandelte Lachen in
Gleichgültigkeit, Emotionen in kalte Leere und ließ einen vergessen. Er vergaß,
wer er eigentlich war! Er war immer aufrichtig gewesen, konnte nie etwas ohne
Beweise lassen und musste immer eine Erklärung oder einen Grund für etwas
finden. Das machte ihn zu dem Menschen, der er war. Er grübelte über alles,
aber hier? Was hatte er die letzten Tage gemacht? Wie konnte er sie überstehen,
ohne ein einziges Mal etwas zu hinterfragen? Er wusste es nicht, und das machte
ihm Angst. Er wollte stark bleiben. Er hatte es ihr versprochen, er wollte sie
nicht enttäuschen. Er musste stark bleiben, für Penelope.
„Irgendetwas ist merkwürdig hier“, sagte er, „Wir sind hier schon zu
lange, ohne, dass Jason oder die anderen ein Wort darüber verloren haben. Was passiert
hier nur?“
Ceela guckte erschrocken, ihre Gesichtszüge spannten sich deutlich an.
Die Ungewissheit ließ sie
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