Die Verstoßenen (Verlorene Erinnerungen) (German Edition)
anderes tun?
„Sorry, äh, ich gucke selbst.“ Sein Gesicht glühte vor Scham.
„Ich kann sie nicht sehen, sie ist bestimmt schon aufgebrochen.
Wahrscheinlich mit ihrer Freundin aus dem Bus, weißt du, wen ich meine?“
Ceela nickte stumm. Sie hatte sich genauso wie sie entschieden. Das gab
ihr Bestätigung und schenkte ihr auch ein wenig mehr Hoffnung. Jay stellte sich
mit Ceela näher zu den übrig gebliebenen Ropeys. Es waren noch mehr gegangen.
Zurück blieben nur noch Jay, Ceela und elf andere. Ihre Blicke waren verstört
und traumatisiert, Hilfe suchend. Sie schienen innerlich zu schreien.
„Es hat keinen Sinn, noch länger zu warten“, sagte Jay.
„Bitte noch einen kleinen Moment. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass
wir irgendetwas verpassen, wenn wir jetzt schon gehen, etwas Wichtiges“,
bettelte sie, wie ein kleines Kind, das noch nicht ins Bettchen wollte.
Er gab sich geschlagen. Sie warteten noch. Nichts regte sich. Alle
waren still. Da tauchte er auf. Der Fremde.
„Ich werde euch in die Reservate bringen, dort überlebt ihr auf jeden
Fall länger. Für die anderen ist jede Rettung zu spät. Es ist schon ...“, er
blickte auf die Uhr, „..schon gut eine Viertelstunde her, seitdem sie
aufgebrochen sind, bei den ersten sogar fast eine halbe. Die Hetzjagd hat schon
begonnen. Setzt euch in den Bus und versucht die anderen zu vergessen.“
Sein Gesicht war ernst und traurig, voller Sorge als er über die
Flüchtlinge sprach. Er fühlte sich schlecht, weil er ihnen nicht geholfen
hatte, doch er konnte nicht. Jason war der Leiter, Jason stellte die Regeln
auf. Er durfte die Ropeys nicht beeinflussen.
Jay war sämtliche Farbe aus dem Gesicht gewichen. Ceela stand wie
gelähmt da. Sie beide wollten es nicht glauben, sie konnten es nicht, aber es
musste so sein, der Fremde sprach von den Ropeys, die eben gegangen waren. Von
wem sonst? Jay rührte sich nicht von der Stelle, er war noch nicht fähig dazu,
nachdem, was er gerade erfahren hatte. Ceela erholte sich als erste aus der
Schockstarre. Die Wucht der Worte wurde ihr bewusst und sie drehte durch.
„Was passiert hier?“, kreischte sie.
Der Fremde packte sie an der Schulter und zog sie von den anderen weg,
die über seine Worte kein wenig nachgedacht hatten, sie gingen unberührt zurück
in den Bus. Ceela kochte vor Wut, schrie panisch und verängstigt:
„Was ist hier los? Warum ist jede Rettung zu spät? Was ist passiert mit
den Flüchtlingen?“
„Beruhig dich“, sagte er matt.
„Beruhigen?“ Ihre Stimme bebte vor Entsetzen.
„Du musst die anderen einfach vergessen, glaub mir, das macht alles
leichter.“
„Verdammt, sagen sie mir auf der Stelle was hier vor sich geht!“,
fauchte sie den Fremden an, der sich langsam geschlagen gab.
„Ich bin enttäuscht, wie wenige es sind, die nicht geflohen sind und
wie viele so dumm waren und ihm geglaubt haben. Sie waren so naiv, dass sie
dachten, er würde ihnen zur Flucht verhelfen. Das tut er aber nicht. Sie waren
zu verzweifelt, sie haben unrealistisch gedacht. Warum sollten wir euch fliehen
lassen? Es hört sich hart an, doch es ist unser Job. Ich hab ihn mir nicht
ausgesucht. Ich musste. Ich habe kein Recht, über ihn zu urteilen, doch ich
kann ihn nicht verstehen. Er nennt das, was er mit den Ropeys macht, die
fliehen wollen, den Gnadenschuss. Er meint, sie würden in den Reservaten eh
nicht überleben, wenn sie so leicht beeinflussbar und so naiv sind. Für ihn ist
das ein Spiel! Doch ich spiele nicht nach seinen Regeln, deswegen nehme ich
euch mit in die Reservate. Die Hetzjagd hat begonnen, er wird sie alle zu Tode
jagen oder erschießen…“
„Wir müssen ihr helfen!“, schrie Ceela panisch, als sie endlich fähig
war wieder zu reden.
Sie hatte schon verstanden, was er meinte, als er es aussprach, doch
sie konnte es jetzt erst richtig begreifen. Jason war ein Mörder, er wollte die
Flüchtlinge umbringen, es war ein krankes Spiel für ihn. Sie konnte nicht
begreifen, wie plötzlich der höfliche, nette Helfer zum Psycho-Killer wurde.
Konnte sie dem Fremden glauben? Sie wusste es nicht. Panik, Verzweiflung. Sie
wollte nicht, dass Grace starb! Sie schrie immer wieder:
„Wir müssen ihr helfen! Wir können sie nicht sterben lassen! Wir können
doch nicht…! „ Sie schrie immer lauter, Tränen quollen aus ihren klaren Augen
und tränkten ihr Gesicht.
Jay nahm sie in den Arm.
„Alles ist gut. Beruhig dich“, flüsterte er sanft.
Sie riss sich los.
„Nichts ist
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